War der CIA-Ausschuss ein Erfolg? – Interview in Neues Deutschland vom 25.01.2007
Sylvia-Yvonne Kaufmann zu den Ergebnissen der EU-Untersuchungen
* Sie haben darauf verwiesen, dass der Ausschuss des Europaparlaments sehr intensiv gearbeitet habe. Woran lässt sich das festmachen?
Wir haben in einem Jahr über 130 Anhörungen organisiert und Gespräche mit 153 Personen geführt. Betrüblich ist, dass von den 29 schriftlich angesprochenen ständigen Vertretern der EUMitglied-und Kandidatenstaaten immerhin 15 überhaupt nicht geantwortet haben, auch Deutschland nicht.
* Trotzdem sprechen Sie von einem Erfolg?
Auf jeden Fall. Davon zeugt der Inhalt des Berichts, der nun dem Plenum zur Beschlussfassung vorgelegt wird. Ich werte es schon als einen großen Erfolg, dass die Europaabgeordneten sich umgehend auf die Einsetzung dieses nichtständigen Ausschusses einigten, nachdem sie von den ersten Verdachtsmomenten für »außerordentliche Überstellungen« von Menschen aus Europa durch die CIA erfuhren. Damit haben sie Flagge gezeigt.
* Wo sehen Sie die wesentlichen Ergebnisse der Ausschussarbeit?
In dem mit Mehrheit angenommenen Bericht werden beispielsweise klar die systematischen und schweren Menschenrechtsverletzungen angeprangert, die im Zuge der so genannten Antiterrorbekämpfung begangen worden sind. Der Ausschuss fordert nicht nur vollständige Aufklärung über alle Hintergründe und Zusammenhänge der Aktivitäten der CIA in Europa und über ihr Zusammenspiel mit Geheimdiensten der EU-Mitgliedstaaten, sondern auch eine wirksame und rasche Entschädigung der Opfer. Er verlangt zudem, alle Abkommen über Militärstützpunkte auf ihre Vereinbarkeit mit den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Wahrung der Menschenrechte in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zu überprüfen.
* Die deutschen Medien konzentrierten sich vor allem auf den Fall Murat Kurnaz.
In dem Abschlussdokument wird die »außerordentliche Überstellung« von Murat Kurnaz klar verurteilt. Vertrauliche institutionelle Informationen führten zu dem Ergebnis, dass die deutsche Regierung das Angebot der USA aus dem Jahre 2002, Kurnaz aus dem Lager Guantánamo frei zu lassen, nicht angenommen hatte. Ein Fakt, den Außenminister Steinmeier bei seinem kurzen Auftritt in Brüssel erneut heftig bestritt.
* Sie haben in dieser Angelegenheit einen mit Mehrheit übernommenen Änderungsantrag eingebracht. Warum?
Es ging um den Verdacht, dass Kurnaz bereits vor seiner Abreise aus Deutschland mit einer Intensität überwacht worden ist, wie sie für gewöhnlich nur von einheimischen Geheimdiensten aufgebracht werden kann. Das wird nun in dem Dokument auch öffentlich gemacht.
* Der Sonderausschuss verweist in seinem Abschlusspapier auf Artikel 6 des EU-Vertrages. Was hat es damit auf sich?
Es geht um die Grundsätze und Werte der EU, die hier festgehalten sind. Die jetzt festgestellten systematischen Menschenrechtsverletzungen sind mit ihnen unvereinbar. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag des Ausschusses, Artikel 7 des EU-Vertrages durch das Parlament zu aktivieren: Danach hat der Rat in einem formellen Verfahren zu prüfen, ob eine »eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung« der oben genannten Grundsätze besteht.
Fragen: Holger Elias
Das Interview erschien in Neues Deutschland, 25. Januar 2007
Sylvia-Yvonne Kaufmann zu den Ergebnissen der EU-Untersuchungen
* Sie haben darauf verwiesen, dass der Ausschuss des Europaparlaments sehr intensiv gearbeitet habe. Woran lässt sich das festmachen?
Wir haben in einem Jahr über 130 Anhörungen organisiert und Gespräche mit 153 Personen geführt. Betrüblich ist, dass von den 29 schriftlich angesprochenen ständigen Vertretern der EU-Mitglied-und Kandidatenstaaten immerhin 15 überhaupt nicht geantwortet haben, auch Deutschland nicht.
* Trotzdem sprechen Sie von einem Erfolg?
Auf jeden Fall. Davon zeugt der Inhalt des Berichts, der nun dem Plenum zur Beschlussfassung vorgelegt wird. Ich werte es schon als einen großen Erfolg, dass die Europaabgeordneten sich umgehend auf die Einsetzung dieses nichtständigen Ausschusses einigten, nachdem sie von den ersten Verdachtsmomenten für »außerordentliche Überstellungen« von Menschen aus Europa durch die CIA erfuhren. Damit haben sie Flagge gezeigt.
* Wo sehen Sie die wesentlichen Ergebnisse der Ausschussarbeit?
In dem mit Mehrheit angenommenen Bericht werden beispielsweise klar die systematischen und schweren Menschenrechtsverletzungen angeprangert, die im Zuge der so genannten Antiterrorbekämpfung begangen worden sind. Der Ausschuss fordert nicht nur vollständige Aufklärung über alle Hintergründe und Zusammenhänge der Aktivitäten der CIA in Europa und über ihr Zusammenspiel mit Geheimdiensten der EU-Mitgliedstaaten, sondern auch eine wirksame und rasche Entschädigung der Opfer. Er verlangt zudem, alle Abkommen über Militärstützpunkte auf ihre Vereinbarkeit mit den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Wahrung der Menschenrechte in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zu überprüfen.
* Die deutschen Medien konzentrierten sich vor allem auf den Fall Murat Kurnaz.
In dem Abschlussdokument wird die »außerordentliche Überstellung« von Murat Kurnaz klar verurteilt. Vertrauliche institutionelle Informationen führten zu dem Ergebnis, dass die deutsche Regierung das Angebot der USA aus dem Jahre 2002, Kurnaz aus dem Lager Guantánamo frei zu lassen, nicht angenommen hatte. Ein Fakt, den Außenminister Steinmeier bei seinem kurzen Auftritt in Brüssel erneut heftig bestritt.
* Sie haben in dieser Angelegenheit einen mit Mehrheit übernommenen Änderungsantrag eingebracht. Warum?
Es ging um den Verdacht, dass Kurnaz bereits vor seiner Abreise aus Deutschland mit einer Intensität überwacht worden ist, wie sie für gewöhnlich nur von einheimischen Geheimdiensten aufgebracht werden kann. Das wird nun in dem Dokument auch öffentlich gemacht.
* Der Sonderausschuss verweist in seinem Abschlusspapier auf Artikel 6 des EU-Vertrages. Was hat es damit auf sich?
Es geht um die Grundsätze und Werte der EU, die hier festgehalten sind. Die jetzt festgestellten systematischen Menschenrechtsverletzungen sind mit ihnen unvereinbar. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag des Ausschusses, Artikel 7 des EU-Vertrages durch das Parlament zu aktivieren: Danach hat der Rat in einem formellen Verfahren zu prüfen, ob eine »eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung« der oben genannten Grundsätze besteht.
Fragen: Holger Elias
Das Interview erschien in Neues Deutschland, 25. Januar 2007