„Es ist tatsächlich notwendig, dass diese ganze Trickserei bei der Finanzierung von EU-Militäreinsätzen aufhört und dass die Europäische Union keine Militärmacht ist und wird“, Rede von Tobias Pflüger im Namen der Fraktion GUE/NGL in der Plenardeba
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. –
Herr Präsident! Ich will heute einmal mit den Punkten anfangen, bei denen wir uns einig sind. Der Zeitpunkt der Debatte ist eine Zumutung. Dazu ist das Thema tatsächlich viel zu wichtig, und – das wird in dem Bericht überraschend deutlich formuliert – eine reale parlamentarische Kontrolle der Militärpolitik der Europäischen Union gibt es nicht.
So heißt es ich zitiere: Punkt 41: „bedauert, dass der Rat erneut das Recht des Parlaments missachtet hat, jährlich vorab zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik konsultiert zu werden, wie in Artikel 21 des Vertrags über die Europäische Union und in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 6. Mai 1999 festgelegt ist“ Punkt 42: „stellt fest, dass es aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht möglich ist, wegen dieses Verstoßes des Rates gegen Artikel 21 des Vertrags über die Europäische Union den Gerichtshof anzurufen, da nach Artikel 46 EUV Artikel 21 nicht zu der umfassenden Liste der Fälle gehört, in denen die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Zuständigkeit des Gerichtshofs auch den Bereich der GASP betreffen;“ und Punkt 43: „betont jedoch, dass die Praxis des Rates, das Parlament nur zu informieren und eine mit Erläuterungen versehene Liste der im Vorjahr durchgeführten GASP-Aktivitäten vorzulegen, statt das Parlament tatsächlich zu Beginn jedes Jahres über die wichtigsten Hauptaspekte und grundlegenden Optionen für dieses Jahr zu konsultieren und dem Parlament danach Bericht zu erstatten, ob und, falls ja, in welcher Weise der Beitrag des Parlaments berücksichtigt wurde, einen faktischen Verstoß gegen den Wesensgehalt von Artikel 21 darstellt.“
Der Rat sollte das endlich zur Kenntnis nehmen, dass sich das Europäische Parlament an diesem Punkt tatsächlich völlig einig ist: Wir wollen eine parlamentarische Kontrolle, und wir wollen, dass das Europäische Parlament auch in Entscheidungen im Bereich der Militärpolitik eingebunden wird.
Aber damit das Ganze hier nicht zu einer Konsenssoße wird, nenne ich jetzt die Punkte, in denen wir nicht übereinstimmen.
Der Kernpunkt ist tatsächlich das, was Elmar Brok vorhin angesprochen hat, nämlich der Verfassungsvertrag. Wie schon die Kommissarin beschrieben hat, wird der Verfassungsvertrag tatsächlich wesentliche „Fortschritte“ für den Bereich der Militärpolitik bringen. Genau das ist einer der Gründe, warum wir diesen Verfassungsvertrag ablehnen. Wir hoffen, dass genau solche Passagen mit dem Aufrüstungsgebot wie etwa Artikel I-41 Absatz 3 in diesem jetzt geplanten „Grundlagenvertrag“ eben nicht mehr auftauchen. Ich bin da nicht sehr zuversichtlich.
Es sieht ganz danach aus, als solle der praktisch gleiche Vertrag nicht mehr Verfassungsvertrag genannt werden, aber nun einfach in anderer Form allein durch die verschiedenen Regierungen verabschiedet werden. Hier wird ein Betrug geplant an der französischen und niederländischen Bevölkerung.
Ich will zu einigen Punkten innerhalb dieses Berichts etwas sagen. Es wird sehr deutlich formuliert, dass die „strukturelle (militärische) Zusammenarbeit“ zentral sei. Sie ist tatsächlich zentral, wenn man eine Militärmacht Europäische Union, wenn man ein militarisiertes Kerneuropa will. Wir wollen das nicht, also wollen wir diese strukturierte Zusammenarbeit nicht.
Im Bericht wird der so genannte ATHENA-Mechanismus klar formuliert, mit dem über Tricks Militäreinsätze der Europäischen Union finanziert werden.
Im Bericht heisst es: “ fordert den Rat auf, das Parlament über die von den Ministern im Dezember 2006 angenommenen neuen Bestimmungen zum „ATHENA-Mechanismus“ zu informieren; zeigt sich befremdet darüber, dass der Rat es nicht für notwendig gehalten hat, das Parlament in den beiden gemeinsamen Sitzungen im Herbst 2006 hierüber zu informieren, zumal diese Frage bereits früher im Jahr diskutiert worden war;“
Nur, es folgen daraus keine Konsequenzen!
Im Bericht wird eine Forcierung zivilmilitärischer Zusammenarbeit im Rahmen der ESVP gefordert. Das ist politisch fatal.
Welche Folgen das hat beschreibt der Bericht recht offen: “ äußert insbesondere Besorgnis darüber, dass für gemischte Aktionen der GASP, die mit Ausgaben im Bereich ziviler Aktionen wie im Bereich von militärischen und Verteidigungsmaßnahmen einhergingen, eine parlamentarische Kontrolle bisher kaum möglich war; weist darauf hin, dass dies Ergebnis aus unübersichtlichen Situation resultiert, in der die nationalen Parlamente Einblick in den militärisch/verteidigungspolitischen Teil der Finanzierung haben, das Europäische Parlament aber nur Einblick in die zivilen Aspekte erhält.“
Die zivilmilitärische Zusammenarbeit muss endlich beendet werden! Nicht nur aus friedenspolitischen Gründen, die für uns natürlich die wichtigsten sind, sondern auch, um endlich das organisierte Chaos in der Finanzierung der EU-Militärpolitik in der EU-Haushaltspolitik zu beenden. Das läuft alles im rechtlichen Graubereich ab.
Besonders pikant ist in diesem Zusammenhang die Forderung im Bericht Brok nach einem „virtuellen“ Militärhaushalt. Beabsichtig wird, dass „in einer ersten Phase der Rat ein Haushaltsdokument erarbeiten sollte, das die Zusagen der Mitgliedstaaten zur Erfüllung des zivilen Planziels 2008 und des militärischen Planziels 2010 aufzeigt“ und wird zum Ziel erklärt, dass „in einer zweiten Phase die Mitgliedstaaten sich gegenüber der ESVP durch einen „virtuellen“ Haushalt verpflichten sollten, in dem sie auf Mehrjahresbasis die für die Finanzierung der Ausrüstung und des Personals für die ESVP-Operationen erforderlichen Mittel zusagen würden“. Das ist nichts anderes als die Forderung nach einem eigenständigen EU-Militärhaushalt unter Verletzung des gültigen EU-Vertrags, der einen Militärhaushalt nicht zulässt. Es bedeutet nicht weiter als eine massive Erhöhung der Militärausgaben der EU-Mitgliedstaaten. Zudem würde die bisherige Praxis von verdeckten EU-Militärhaushalten fortgeschrieben. Dazu passt, dass Militäreinsätze auch über so genannte Rückflüsse aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) finanziert werden sollen. Das halten wir für einen Skandal erster Ordnung.
Es ist tatsächlich notwendig, dass diese ganze Trickserei bei der Finanzierung von EU-Militäreinsätzen aufhört und dass die Europäische Union keine Militärmacht ist und wird.