Gabi Zimmer: Berliner Erklärung grenzt von Armut betroffene Menschen aus!

Rede für die Fraktion GUE/NGL zur „Berliner Erklärung“, Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Brüssel vom 28. März 2007.

Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident,

Wenn heute vom europäischen Traum die Rede ist, bemühen wir meistens den Amerikaner Jeremy Rifkin. Die Staatschefs der EU bzw. ihre „Sherpas“ träumen jedenfalls nicht, schon gar nicht gemeinsam.

Die „Berliner Erklärung“ beschreibt weder einen Traum noch nimmt sie sich der Realität an. Im Gegenteil. Es ist die erneute Verweigerung der Realität, die die Staatschefs daran hindert, die Krise, in der die Union steckt, klar zu erkennen. Folglich gibt es auch keine Initiative, die einen Ausweg weist.

Damit wachsen weiterhin Gefahren von Desintegration und Renationalisierung. Es gibt keine Absage an eine neoliberale, sozial und ökologisch zerstörerische Freihandelszone, an eine weitere Militarisierung der EU.

In der Erklärung wird nicht ein Wort zur Lage von Millionen Menschen in der EU gesagt, die von Armut, lang andauernder Arbeitslosigkeit, Prekarität und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Sie gehören de facto nicht dazu. Die Botschaft der Erklärung richtet sich nur an die Regierenden selbst, nicht aber an die Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten!

Von Identitätsstiftung kann keine Rede sein.
Kommentatoren reden von einem Testfall für den Verfassungsprozess. Übertragen heißt das, die künftige Verfassung oder Grundlagenvertrag werden ein Fall für die Geheimdiplomatie, ohne jegliche Beteiligung der Zivilgesellschaft. Danach ist alles nur eine Frage des Drucks auf einzelne Regierungschefs. Für den Fall, das diese nicht spuren, schwingen einige meiner deutschen Kollegen aus dem Europaparlament gleich die Austrittskeule. Wahrhaft, eine äusserst überzeugende demokratische Argumentation!

Wenn es den Regierenden in der EU wirklich ernst wäre mit ihrem Versprechen, die EU bis zu den Wahlen 2009 auf eine „tragfähige erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen“, dann hätte das folgende Konsequenz:
Aus dem gesamten Entwurf der Europäischen Verfassung wären all jene Passagen zu streichen, die auf wirtschaftspolitische Liberalisierung, Privatisierung und Militarisierung drängen. Die Diskussion über jene Europäische Union, die sich die Mehrzahl der hier lebenden Menschen wünscht, wäre zu eröffnen!

Der dritte Teil des vorliegenden Verfassungsentwurfs sollte ganz gestrichen werden. Die detaillierten Politikziele und Vorgaben sind durch klare Kompetenz- und Verfahrensregeln zu ersetzen, die unterschiedliche Politiken ermöglichen.
Artikel I / 41 (3) muss durch ein klares Verbot des Angriffskriegs und die Festlegung auf das Völkerrecht ersetzt, die im Vorgriff auf den EU-Verfassungsvertrag schon arbeitende Rüstungsagentur geschlossen werden.

Statt lediglich einer Hommage eines männerdominierten Clubs an Angela Merkel braucht die Europäische Union eine tatsächliche Erneuerung ihrer Grundlagen, steht sie vor der Aufgabe, sich neu zu erfinden. Dazu aber müssen endlich die Millionen Menschen ernst genommen werden, die mit ihrem „Nein zu dieser Verfassung“ einen klaren Politikwechsel gefordert haben.