Gabi Zimmer: Rede zur Eskalation der politischen Lage in Estland.

Rede im Europaeischen Parlament im Namen der Fraktion GUE/NGL

Rede von Gabi Zimmer im Namen der GUE/NGL-Fraktion am 9. Mai 2007 im Europaeischen Parlament
Kurzfristig anberaumte Debatte zum Beginn der Plenartagung zu den Ereignissen in Tallinn

„Heute vor 62 Jahren unterschrieben die Vertreter Hitlerdeutschlands die bedingungslose Kapitulation. Damit ging eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Europas zu Ende. Das Volk der damaligen Sowjetunion hat zu diesem Sieg einen entscheidenden Beitrag geleistet und einen ungeheuren Preis gezahlt. Millionen von Menschen gedenken heute dieser Zeit.

Ich stimme dem Leiter des Simon-Wiesenthal Centers in Jerusalem Efraim Zuroff völlig zu, der zu den Ereignissen in Tallin Folgendes gesagt hat:
„While the Center unequivocally condemns the crimes committed against Estonians of all faiths and nationalities under Soviet rule, it must never be forgotten that it was the Red Army which effectively stopped the mass murder conducted by the Nazis and their local collaborators on Estonian soil until the final day of its occupation by Nazi Germany. Thus the removal of the monument from the Center of Tallinn by the government reflects a regrettable lack of sensitivity to the depth of Nazi criminality and is an insult to its victims.“

Meine Fraktion bedauert die mit den Ereignissen in Tallin verbundene Zuspitzung der innen- und außenpolitischen Auseinandersetzungen außerordentlich und ruft alle Beteiligten zu Mäßigung und Dialog auf.

Die Tatsache, dass in der Hauptstadt Estlands eine friedliche Demonstration zu Krawallen ausartet und die Polizei in einer Art und Weise vorgeht, die einen Toten und zahlreiche Verletzte zu Folge hat, ist sehr beunruhigend. Ist sie doch Ausdruck des fehlenden Dialogs zwischen der estnischen Mehrheit und der russischen Minderheit in Estland.

Auch wir hier im Europäischen Parlament tragen dafür eine Mitverantwortung, weil wir der Benachteiligung der russischen Minderheit in Estland und anderen baltischen Mitgliedstaaten zu wenig aktiv entgegen getreten sind. Es ist höchste Zeit, dem ein Ende zu setzen. Der russischen Minderheit müssen die in der Europäischen Union üblichen Rechte zugestanden werden. Ein konstruktiver Dialog über die Geschichte des Baltikums im vergangenen Jahrhundert, an dem sich alle ohne Ausnahme beteiligen können und in dem über die Ereignisse in ihren historischen Zusammenhängen diskutiert wird, scheint mir unverzichtbar.

Ebenso bedauerlich sind die unverhältnismäßigen Reaktionen aus Russland. Meine Fraktion unterstützt nachdrücklich die Forderung an Russland, ihren internationalen Verpflichtungen, die sich aus der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen ergeben, nachzukommen und das Personal sowie das Gelände der estnischen Vertretung zu schützen und einen ungestörten Zugang zur Vertretung sicherzustellen. Wir fordern die deutsche Ratspräsidentschaft auf, zur Deeskalation und Dialog zwischen Estland und Russland beizutragen. Im Vorfeld des EU-Russland Gipfels sollten keine neuen Barrikaden, sondern Brücke gebaut werden.