Militarisierung der EU: Das Programm zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik der im Januar 2007 beginnenden deutschen Ratspräsidentschaft, in newsletter der attac eu ag von Tobias Pflüger und Martin Hantke
Nach der finnischen Ratspräsidentschaft (1) übernimmt Deutschland (2) am 1. Januar 2007 für ein halbes Jahr den Ratsvorsitz. Danach folgen bis Dezember 2008 weiter im halbjährlichen Turnus Portugal, Slowenien und Frankreich. Für die Funktionsweise der Europäischen Union ist die Ratspräsidentschaft von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Der Vorsitz des Rates spielt eine wesentliche Rolle bei der Organisation der Arbeiten der Institution des Rates (3), insbesondere als Impulsgeber im legislativen und politischen Entscheidungsprozess. Ihm obliegt die Einberufung, Vorbereitung und Leitung aller Sitzungen; er führt auch den Vorsitz in den zahlreichen Arbeitsgruppen und arbeitet Kompromisse aus. Das heißt: Ab Januar 2007 bestimmt die Bundesregierung wesentlich über die Agenda der Europäischen Union mit. Das ist auch für die Außen- und Militärpolitik mit entscheidend, denn der Rat legt die Grundsätze (4) der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (5) (GASP) fest und setzt diese um. Der Rat selbst besteht neben dem Ratssekretariat aus den Ministern der Mitgliedstaaten, die im Rahmen des Rates der Europäischen Union tagen. Je nach den Themenbereichen, die auf der Tagesordnung stehen, ist jedes Land mit seinen zuständigen Fachministern vertreten (Auswärtige Angelegenheiten, Justiz und Inneres, Finanzen, Soziales, Verkehr, Landwirtschaft usw.)
Programm der deutschen Ratspräsidentschaft
Die Prioritäten der deutschen Ratspräsidentschaft wurden von der Bundesregierung insbesondere im Programm für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft festgeschrieben. Dort finden sich Satzkombination wie diese: „Der Vorsitz strebt ferner weitere Schritte der militärischen Zusammenarbeit in der langfristigen Perspektive einer gemeinsamen europäischen Verteidigung an. Europas Wohlstand und politisches Gewicht in der Welt fußen entscheidend auf den Erfolgen europäischer Unternehmen auf den Weltmärkten.“ Tatsächlich ist ein zentraler Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft die Militarisierung Europas noch weiter zu beschleunigen. Die Gebiete, in denen die Europäische Union im Rahmen ihrer Aussen- und „Sicherheitspolitik“ auch militärisch besonders aktiv werden will, sind konkret benannt: Balkan, Zentralasien, Irak, Afghanistan, Sudan, Somalia und Kongo.
Im ersten Halbjahr 2007 strebt die Bundesregierung „weitere Schritte der militärischen Zusammenarbeit in der langfristigen Perspektive einer gemeinsamen europäischen Verteidigung an.“ (5). Dabei wird betont, dass „Europas Wohlstand und politisches Gewicht in der Welt entscheidend auf den Erfolgen europäischer Unternehmen auf den Weltmärkten“ fußen. Die europäische Rüstungsindustrie ist dabei offensichtlich immer mitgedacht. Deshalb wird auch herausgestellt: „Die Fähigkeit der EU, zivile und militärische Instrumente zur Krisenvorbeugung und –bewältigung einzusetzen, soll u.a. im Rahmen der Planziel-Prozesse (Streitkräfteplanziel 2010, Ziviles Planziel 2008) gestärkt werden.“ Dabei soll besonderes Augenmerk „den schnell verlegbaren, europäischen Gefechtsverbänden (Insgesamt sind 19 so genannte EU-Battle-Groups geplant, MH), die vom 1. Januar 2007 an für Einsätze in Krisengebieten zur Verfügung stehen:“ gelten. Zudem soll ab 2007 der Kern eines EU-Generalstabs, die so genannte zivil-militärische Zelle einsatzbereit sein. Dabei will man sowohl die „autonome Handlungsfähigkeit der ESVP“ verbessern, als auch „die strategische Partnerschaft zwischen EU und NATO durch die Intensivierung des politischen Dialogs und der Zusammenarbeit in den Bereichen Einsatz und Fähigkeiten“ (6) ausbauen.
Rückblick auf die deutsche Ratspräsidentschaft 1999: Schwerpunkt Militarisierung
Mit Fug und Recht kann man die letzte deutsche Ratspräsidentschaft 1999 als Militarisierungspräsidentschaft bezeichnen, als da von der rot-grünen Bundesregierung die wesentlichen Projekte der EU-Militarisierung, wie die Aufstellung von EU-Interventionstruppen aufs Gleis gesetzt wurden. Mit der „Erklärung des Europäischen Rats zur Stärkung der GASP“ von Köln im Juni 1999 (6) wurde der Aufbau einer operativen und eigenständigen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (7) (ESVP) als integraler Bestandteil der GASP eingeleitet. Ziel war es, der EU in Bezug auf internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung Handlungsfähigkeit zu verleihen. Vor allem sollte ein autonomes militärisches Eingreifen bei internationalen Krisen ermöglicht werden, allerdings eingeschränkt nur „in den Fällen, in denen die NATO als Ganzes nicht beteiligt ist“, um eine Konkurrenzsituation zu vermeiden. Also nur wo die NATO auf ihr Erstzugriffsrecht verzichtet, kann die EU selbstständig militärisch intervenieren. Alles weist darauf hin, dass die deutsche Ratspräsidentschaft 2007 die Militarisierung der EU nun ebenso vorantreiben wird.
Fortführung von Militarisierungsprojekten
Zum einen ist zu erwarten, dass die Bundesregierung Militarisierungsprojekte der finnischen Ratspräsidentschaft, wie die bestehenden ESVP-Militäroperationen (8), fortsetzt. Auch steht zu erwarten, dass die Arbeit am Ausbau der militärischen Mittel und Fähigkeiten während der deutschen Präsidentschaft fortgesetzt wird.
Die Grundlage für die Arbeit an der Entwicklung der militärischen Fähigkeiten wird durch das Planziel 2010 ( Headline Goal 2010 (9)), das am 17. Juni 2004 vom Rat verabschiedet wurde, vorgegeben. Im ersten Halbjahr 2007 sollen insbesondere die Luftlandekapazitäten vervollständigt und Landekapazitäten aufgebaut werden, um den EU-Battle-Groups, von denen nach Auskunft des finnischen Ratsvorsitzes im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments bis 2010 insgesamt 19 mit nahezu 40.000 Soldaten in Dienst gestellt werden sollen, bessere globale Militärinterventionsfähigkeiten zu ermöglichen.
Die Politikberatungsfirma dimap communications, die für viele große Firmen arbeitet, kommentiert die Einführung der EU-Battle-Groups wie folgt: „Einige zynische Beobachter erwarten, dass ein solches Instrument dazu führen wird, eine Krise zu finden, um die Truppen zum Einsatz zu bringen. Gerade deswegen wird es eine heikle politische Entscheidung, die Battle Groups während der deutschen Präsidentschaft einzusetzen.“
Die Aufstellung der EU-Battle-Groups erfolgt zusätzlich zu der im Jahr 2000 auf freiwilliger Basis erfolgten Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einzelstaatlichen Beiträgen. Auf der Helsinki-Beitragskonferenz wurde die erforderliche Anzahl von Truppen von den Mitgliedstaaten zugesagt (100.000 Soldaten, 400 Luftfahrzeuge, 100 Schiffe) und im so genannten Helsinki-Streitkräfte-Katalog (Helsinki Force Catalogue) aufgelistet. Zusätzlich zu den rein militärischen Kapazitätsaufbauzielen formulierte der Europäische Rat bereits im Dezember 2004 als neues zivil-militärisches Planziel das ‚ Civilian Headline Goal 2008 (10). Damit soll das rein militärische Aufgabenspektrum durch ein zivil-militärisches der ESVP ergänzt werden. Hierzu sollen die Fähigkeit zum Monitoring von Krisen und die fachliche Unterstützung der Sonderbeauftragten der EU gehören. Dazu kommen die Bereiche wie die so genannte Reform des Sicherheitssektors, hinter der sich oft die Restrukturierung verbündeter Armeen verbirgt. Im Kern geht es aber um eine Verbesserung der Fähigkeiten, erfolgreiche Besatzungsregimes zu etablieren.
Als Lehre aus den Fehlern der „zu“ militärischen Irak- und Afghanistan-Besatzung, sollen zivil-militärischer Kapazitäten aufgebaut und eingesetzt werden. Dazu wurden Anforderungen an Personal und Ausrüstung der Mitgliedstaaten formuliert, um eine zukünftig engere Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem militärischen Bereich sowie die Beschleunigung der Reaktionszeiten zu gewährleisten. So wurde bereits 2005, um die Entsendegeschwindigkeit zu erhöhen, beschlossen, so genannte Civilian Response Teams aufzustellen. Sie sollen ähnlich kurzfristig wie die schnell verlegbaren Polizeigruppen (Rapid Deployable Police Elements) zum Einsatz kommen.
Außerhalb des Rahmens der Europäischen Sicherheit- und Verteidigungspolitik kann die EU zudem auf die paramilitärische European Gendarmerie Force, gebildet von Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland, zurückgreifen, um eine mögliche EU-Besatzungspolitik nicht nur zivil-militärisch zu begleiten, sondern um auch Kapazitäten zur Niederschlagung möglicher Widerstände bereitzustellen. Auch hier steht zu erwarten, das diese Art der heimlichen Aufrüstung für die deutsche Ratspräsidentschaft hohe Priorität genießen wird, um das Projekt 2008 zum Abschluss bringen zu können.
Arbeitspapier zur Militarisierung
In einem Arbeitspapier vom 18. Oktober 2006 für ein „18-monatiges Programm der deutschen, portugiesischen und slowenischen Ratspräsidentschaft“, das von der deutschen Bundesregierung mitverfasst wurde, wird der Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages, wie auch der Fortentwicklung der Europäischen Militärpolitik hohe Priorität eingeräumt. Noch während der deutschen Ratspräsidentschaft soll dem europäischen Rat ein Bericht vorgelegt werden, um die weitere Entwicklung auszuloten. Auf dieser Basis soll dann der EU-Verfassungsvertrag weiter befördert werden, um spätestens im zweiten Halbjahr 2008 zu konkreten Ergebnissen zu gelangen.
Um das außenpolitische Gewicht der EU zu erhöhen soll im Rahmen der Entwicklung der Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik am Aufbau der „militärischen und zivilen Kapazitäten und einer effektiven zivil-militärischen Koordinierung“ weitergearbeitet werden. In der Folge wird aufgelistet, was alles konkret geplant ist. Die Grundlage dabei soll die Europäische Sicherheitsstrategie bilden. Besondere Betonung findet im Arbeitspapier die „Entwicklung einer strategischen Partnerschaft zwischen EU und NATO“ und die “ Stärkung der Kooperation mit Schlüsselpartnern“. Hier wird insbesondere auf die USA verwiesen.
Insbesondere das Battle-Group-Konzept sollen die drei Ratspräsidentschaften umsetzen, im Hinblick auf die weitere gemeinsame Entwicklung der „Rapid Response Capabilities“ und einer Neugewichtung des „EU Military Rapid Response Concepts“ (EU MRRC). Besondere Erwähnung in diesem Zusammenhang finden erneut die angestrebte Umsetzung des „Headline Goals 2010“ und des „Civilian Headline Goals 2008“.
Zusätzlich soll eine „effektive Koordinierung der militärischen und zivilen Planungen und Kommandostrukturen“ gewährleistet werden, insbesondere auf einen „verbesserten Gebrauch der Civ-Mil Cell“, des Nukleus eines EU-Generalstabs für Militärinterventionen. Um deren Arbeit zu optimieren sollen gemeinsame Manöver mit der NATO durchgeführt werden (CME-CMX). Dabei sollen auch zivile Planer für Missionen innerhalb der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik geschult werden.
Die Counter-Terrorismus-Strategie soll zu einem hervorgehobenen Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU werden, dabei soll insbesondere auf die „Kooperation mit der UN und der NATO“ Wert gelegt werden.
Zusammenfassend sticht auch die quantitative Gewichtung unterschiedlicher Politiken in diesem Arbeitspapier ins Auge. Während der EU-Menschrechtspolitik gerade einmal zwei Sätze gewidmet sind, wird der Ausbau der ESVP auf drei Seiten des Papiers ausführlich dargelegt. Das Ziel eines militärisch global agierenden Akteurs EU soll für die drei Ratspräsidentschaften oberste Priorität haben. EU-Militärpolitik soll von den Zielen bis zur institutionellen Umsetzung eng mit NATO-Sicherheitskonzepten und US-Außenpolitik verbunden werden.
Absoluten Vorrang für die deutsche Bundesregierung genießt die Durchsetzung des EU-Verfassungsvertrags auch in punkto Außen- und Sicherheitspolitik. Außenminister Walter Steinmeier lässt sich dazu in der Bild-Zeitung mit den Worten zitieren:
„Wir sind überzeugt: Die Verfassung macht Europa transparenter, greifbarer und auch schlagkräftiger.“ Deshalb soll die deutsche Ratspräsidentschaft einen Fahrplan erarbeiten, wie sich der EU-Verfassungsvertrag dann am geschicktesten in den einzelnen Mitgliedstaaten ratifizieren lassen wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel betont, dass es der Bundesregierung darum gehe, dies noch „vor der nächsten Europawahl“ 2009 über die Bühne zu bringen. Dazu ist auch geplant, sich mit den beiden folgenden Präsidentschaften eng abzustimmen.
Was den Inhalt des Vertrages angeht, gibt es bei der Bundesregierung keine Einsicht geschweige denn Umkehr. Weder der anhaltend hohe Prozentsatz der eigenen Bevölkerung, der den neuen EU-Vertrag ablehnt, noch die Mehrheiten in Frankreich und den Niederlanden gegen den EU-Verfassungsvertrag bei den Referenden im Frühjahr 2005 haben etwas an dieser Einstellung geändert. Die Devise heißt einfach „Weiter So“. Im Grunde soll so lange abgestimmt werden, bis das Ergebnis stimmt. Daneben wird eine Strategie verfolgt, die die Bestimmungen des EU-Verfassungsvertrags als Blaupause für die forcierte Militarisierung der EU nimmt.
Beispiel 1: Europäische Rüstungsagentur (11). Sie arbeitet schon seit 2004 und soll laut EU-Verfassungsvertrag, darauf achten, dass die Mitgliedstaaten ihre militärischen Fähigkeiten ständig verbessern.
Beispiel 2: EU-Battle-Groups. Sie sollen am 1.1.2007 in Dienst gestellt werden. Ihre Aufstellung war bereits im Protokoll „strukturierte Zusammenarbeit“ des EU-Verfassungsvertrags fixiert worden.
Beispiel 3: Militarisierte Weltraumforschung und die Rüstungs- und Sicherheitsforschung. Sie wird in der Geschichte der EU zum ersten Mal im EU-Verfassungsvertrag benannt. Bereits jetzt wird sie aber schon im 7. Rahmenforschungsprogramm mit 1,6 Milliarden Euro bedacht.
Der Beitrag des Europäischen Parlaments zur Spezifizierung der Militäragenda
Einen originären Beitrag zur Agenda der Deutschen Ratspräsidentschaft leistet die erdrückende Mehrheit des Unterausschusses Sicherheit und Verteidigung (12) des Europäischen Parlaments. Sein Vorsitzender, der CDU-Abgeordnete Karl von Wogau, erklärte die militärische Sicherung des Energiezugangs zum Kernbereich der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ihre Aufgabe bestünde in der Sicherung des „freien Flusses von Zuliefergütern für die Industrie und für individuelle Konsumenten und von Brennstoffen im Besonderen, dies betreffe besonders die Sicherheit von Schiffen, Flügen und Pipelines“.
Im bisherigen Arbeitsprogramm der Ratspräsidentschaft ist schon jetzt vorgesehen, Energiesicherheit und Energieaußenpolitik zu ihrer Durchsetzung als weitere Priorität zu etablieren. Offensichtlich wird hierbei auch über eine militärische Komponente zur Sicherung von Energierohstoffen nachgedacht. Dazu kommen weitere Vorstöße, einen gut funktionierenden EU-Rüstungsmarkt zu schaffen. Auch hier sieht die Bundesregierung industriepolitischen Handlungsbedarf und wird sich aus den Vorarbeiten des Europäischen Parlaments bedienen können. Dienlich dabei dürfte sein, dass der heutige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der für EU-Politik zuständig ist, Joachim Würmeling, zu seiner Zeit als Europaabgeordneter Berichterstatter für die Schaffung eines EU-Rüstungsmarkts war.
Deutsch-Französische Militäragenda
Auf dem Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat (13), der am 12. Oktober in Paris stattfand, wurden in der Erklärung von Paris (14) die wesentlichen Eckpunkte der Militäragenda für die deutsche Ratspräsidentschaft gemeinsam mit Frankreich abgestimmt. Bekannt gegeben wurde, dass Deutschland und Frankreich sich über zentrale Themen der europäischen Militärpolitik und der NATO verständigt hätten. Zentraler Punkt des Treffens war, die EU-Militarisierung voranzutreiben. So heißt es in der Erklärung:
„Im Hinblick auf die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union im ersten Halbjahr 2007 bekräftigen Deutschland und Frankreich ihre Entschlossenheit, die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) weiterzuentwickeln. Die Lösung der Statusfrage vorausgesetzt, wird der erfolgreiche Aufbau der ESVP-Rechtsstaatsmission im Kosovo die zentrale Aufgabe der deutschen Präsidentschaft sein. Unsere beiden Länder werden sich bei der praktischen Umsetzung der neuen zivilen und militärischen Instrumente der Union zur Krisenbewältigung eng abstimmen. Besonderes Augenmerk wird auf das Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft des Operationszentrums der Europäischen Union Anfang 2007 liegen. Mit diesem Zentrum wird es möglich sein, vom nächsten Jahr an Operationen bis vom Umfang der Operation ‚Artemis‘ zu planen und zu führen. Darüber hinaus werden 2007 die Gefechtsverbände zur schnellen Krisenreaktion der Europäischen Union (Battle Groups) in vollem Umfang einsatzfähig sein. Deutschland und Frankreich werden den Kern von zwei der vier 2007 in Bereitschaft stehenden Gefechtsverbände stellen.“
Neben Lob für die „erfolgreichen“ militärischen Engagements im Libanon, Kongo und in Afghanistan, bekräftigt die Erklärung den unbedingten Willen im Sudan militärisch intervenieren:
„Unsere beiden Länder ersuchen die sudanesische Regierung, ihr Einverständnis zur Implementierung der Mission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) in der Region Darfur zu geben, um gemäß der Resolution 1706 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen die Umsetzung des Darfur-Friedensvertrags zu unterstützen.“
Dort sollen Presseberichten zufolge auch die ersten EU-Battle-Groups in enger Kooperation mit der NATO eingesetzt werden.
Zudem wird erneut betont, dass die Schaffung eines Europäischen Lufttransportkommandos oberste Priorität hat. „Die Ausbildung des Personals und das Training der Besatzungen sollen im Verbund stattfinden. Synergien bei der technisch-logistischen Unterstützung lassen Ersparnisse von beträchtlichem Umfang erwarten“, heißt es in der Erklärung. Darüber hinaus setzt man darauf, dass „die operative Zusammenarbeit im Europäischen Lufttransportkommando eine optimale Nutzung der nationalen Kapazitäten ermöglichen“ wird.
Bereits im April 2006 wurde eine Absichtserklärung zur Schaffung dieses Lufttransportkommandos unterzeichnet. Die ersten Kapazitäten sollen ab 2009 zur Verfügung stehen. Während der deutschen Ratspräsidentschaft steht zu erwarten, dass für diese Initiative, der sich Belgien bereits angeschlossen hat und die anderen europäischen Staaten offen steht, intensiv geworben werden wird. Die Aufgabe soll anschließend bis Dezember von der französischen Ratspräsidentschaft weiterbetrieben werden. Das Ziel ist klar: EU-Interventionstruppen sollen autonom weltweit eingesetzt werden können, wobei die enge Verzahnung mit der NATO Teil dieses Programms ist. So sitzen über die NATO-Abteilung bei der so genannten „Civ-Mil Cell“, die nichts anderes als einen Nukleus eines EU-Generalstabs darstellt, die USA immer mit am Tisch.
Fazit: Für die deutsche Ratspräsidentschaft hat die globale Kriegsführungsfähigkeit der EU große Priorität. Die Annahme und Ratifizierung der EU-Verfassung soll dies vertraglich absichern und befördern helfen. Denn gerade das Problem der immensen Kosten des EU-Militarisierungsprogramms ist auf Grundlage des EU-Verfassungsvertrags, der einen eigenständigen EU-Militärhaushalt ermöglichen würde, wesentlich leichter zu schultern. Zu Erinnerung: Der geltende EU-Vertrag von Nizza verbietet einen eigenständigen EU-Militärhaushalt. Die bisherige Praxis der Umwidmung ziviler Haushaltstitel in militärische birgt zu viele politische Risken.
Was könnte getan werden?
Zu diesem Kurs in Richtung künftiger Militäreinsätze und Kriege der Deutschen Ratspräsidentschaft gibt es eine Gegenagenda. Angefangen von der Durchsetzung des Leitbilds „Zivile Europäische Union“, nicht zu verwechseln mit dem Neusprech und der Rede von der Friedensmacht oder der Zivilmacht Europa, in die alle möglichen Militärinterventionskonzepte eingesenkt werden, bis hin zu konkreten Abrüstungsprojekten. Eine echte Abrüstungsinitiative, der sich die Bundesregierung annehmen könnte, wäre eine Initiative für ein atomwaffenfreies Europa.
Die Atommächte der Europäischen Union, Frankreich und Großbritannien modernisieren zur Zeit ihre Atomwaffenarsenale, statt die Verpflichtung des Atomwaffensperrvertrags zur atomaren Abrüstung zu erfüllen. Deutschland hält, wie andere EU-Staaten auch, an der nuklearen Teilhabe fest und ebenso hält es weiterhin Kapazitäten zur industriellen Anreicherung waffenfähigen Urans vor (Garching, Gronau). Zusätzlich haben die USA etwa 480 Atomwaffen in der EU stationiert. In Strategiepapieren der Europäischen Union, wie dem „European Defence Paper“, finden sich Überlegungen Atomwaffen im Rahmen der ESVP einzusetzen. Um diesem Szenario zu begegnen, sollte die Bundesregierung die Initiative für ein atomwaffenfreies Europa ergreifen. Alle Strategieplanungen zum Einsatz von Atomwaffen im Rahmen der ESVP müssten dann eingestellt werden. Einseitige atomare Abrüstungsinitiativen von EU-Mitgliedstaaten als vertrauensbildende Maßnahmen müssten dann befördert werden. Deutschland müsste auf die nukleare Teilhabe und die Vorhaltung von Kapazitäten zur Anreicherung waffenfähigen Urans verzichten. Die Regierung der Vereinigten Staaten müsste aufgefordert werden, einen klaren und konkreten Zeitplan für den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Europa bis Ende 2006 vorzulegen.
Notwendig wäre auch die Absage an alle Pläne für den Aufbau einer europäischen Armee, was offensichtlich eine zentrale Zukunftsidee der deutschen Ratspräsidentschaft sein soll, wie Rainer Arnold, „verteidigungspolitischer“ Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, in einem Interview in der Berliner Zeitung bestätigt: „Die Frage ist, ob wir nicht ständige Verbände in Einsatzbereitschaft brauchen, deren Zusammensetzung gleich bleibt. Das könnte ein Thema sein für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.“ Inzwischen äußerten sich auch Angela Merkel und Kurt Beck in diese Richtung. Wohlgemerkt: Es geht um zusätzliche Kapazitäten zu den schon jetzt geplanten und ab 1.1.2007 teilweise verfügbaren Battle-Groups und den einzelstaatlichen Militärstrukturen der EU-Mitgliedsstaaten.
Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich derartige Abrüstungsinitiativen auf der Agenda der Bundesregierung wiederfinden werden. Wir schlagen deshalb vor zwei zentrale Kampagnen zur Militäragenda der Deutschen Ratspräsidentschaft zu führen. Zum einen eine Kampagne gegen die EU-Battle-Groups und ihre deutsche Kommandostruktur in Potsdam und Ulm sowie zum anderen eine Kampagne zum Rückzug der Bundeswehr- und EU-Truppen, angefangen mit dem Rückzug der Bundeswehr-Truppen aus Afghanistan.
LINKS
(1) http://www.eu2006.fi/en_GB/
(2) http://www.eu-praesidentschaft.de/
(3) http://www.consilium.europa.eu/cms3_fo/showPage.asp?id=1&mode=g&lang=en
(4) http://www.bundestag.de/bic/analysen/2006/GASP_ESVP_und_ihre_Instrumente-Ein_Ueberblick_.pdf
(5) BT-Drucksache 16/3680, Unterrichtung durch die Bundesregierung. Präsidentschaftsprogramm 1. Januar bis 30 Juni 2007 – Europa gelingt gemeinsam
(6) Ebd.
(7) http://ec.europa.eu/comm/external_relations/cfsp/intro/index.htm
(8) http://europa.eu.int/council/off/conclu/june99/annexe_de.htm
(9) http://www.consilium.europa.eu/showPage.asp?id=261&lang=de&mode=g/
(10) http://www.consilium.europa.eu/showPage.asp?id=268&lang=de
(11) http://ue.eu.int/uedocs/cmsUpload/2010%20Headline%20Goal.pdf
(12) http://www.intermin.fi/intermin/hankkeet/skh/home.nsf/files/Civilian%20Headline%20Goal%202008/$file/Civilian%20Headline%20Goal%202008.pdf
(13) http://www.eda.eu.int/
(14) http://www.europarl.europa.eu/committees/sede_home_en.htm
(15) http://www.deutschland-und-frankreich.de/public/index.php?sess_id=SB2tcDK569iVNO4sd8jdxE0M7Oz3uG&id_article=706
(16) http://www.deutschland-und-frankreich.de/public/index.php?sess_id=SB2tcDK569iVNO4sd8jdxE0M7Oz3uG&id_article=719
Tobias Pflüger ist Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., er ist linker Europaabgeordneter in der Fraktion GUE/NGL, im Auswärtigen Ausschuss und im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung.
Martin Hantke ist Beirat der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Tobias Pflüger.