Unsere Grundwerte dürfen nicht zur Disposition gestellt werden!

Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann zu Erklärungen der Ratspräsidentschaft und der Kommission an das Europäische Parlament: „Geheimes Festhalten und rechtswidrige Beförderung von Gefangenen in Verbindung mit Mitgliedstaaten des Europarats“

Erklärungen der Ratspräsidentschaft und der Kommission an das Europäische Parlament: „Geheimes Festhalten und rechtswidrige Beförderung von Gefangenen in Verbindung mit Mitgliedstaaten des Europarats (Berichte Claudio Fava und Dick Marty)“

Rede von Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Europaabgeordnete DIE LINKE, auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments in Straßburg am 26. September 2007

Herr Präsident,

was wir im Zuge des so genannten Kampfes gegen den Terror erlebt haben, ist die Methode des „Outsourcing“ von Menschenrechtsverletzungen. Menschen werden in Guantánamo gefangen gehalten, um ihnen die selbstverständlichsten Menschenrechte vorzuenthalten. Menschen wurden an Folterregime überstellt, weil man sich offenbar die Hände nicht selbst schmutzig machen wollte. Geheimgefängnisse wurden betrieben. Europäische Regierungen schauten einfach weg, als im eigenen Hoheitsgebiet systematische Menschenrechtsverletzungen durch den amerikanischen Geheimdienst begangen wurden…

Der Europarat und unser Parlament haben zu diesen ungeheuren Vorgängen nicht geschwiegen, sie haben die Fakten zusammengestellt, die Menschenrechtsverletzungen untersucht und sie in aller Deutlichkeit kritisiert. Dick Marty hat hier eine sehr engagierte Arbeit geleistet, für die ich ihm danken möchte. Der Bericht unseres Kollegen Fava, den meine Fraktion unterstützt hat, fordert eindringlich eine Abkehr von den bekannt gewordenen Praktiken.

Doch was geschieht? Die Regierung meines Landes beispielsweise hat im Khaled el Masri-Fall vor wenigen Tagen einen Kotau vor der amerikanischen Regierung gemacht. Sie verzichtet darauf, den Auslieferungsantrag der ermittelnden Münchner Justiz für die 13 verdächtigen CIA-Agenten überhaupt an die US-amerikanische Administration zu übermitteln. Warum? Allein deshalb, weil das bloße Stellen dieses Antrags Washington verärgert hätte.

Ich habe nichts dagegen, wenn mein Land und die EU mit den USA gemeinsam der Terrorgefahr begegnen. Doch: sind Kidnapping und Folter deshalb kein Unrecht mehr? Es kann doch nicht sein, dass CIA-Agenten ein Freibrief ausgestellt wird und sie tun und lassen können, was sie wollen! Soll so etwa die „transatlantische Sicherheitszone“ aussehen, die der deutsche Innenminister gerade ins Gespräch gebracht hat?

Unsere Grundwerte, vor allem der umfassende Schutz der Menschenrechte, dürfen im so genannten Antiterrorkampf nicht zur Disposition gestellt werden. Europaparlament und Europarat haben dies zu Recht unterstrichen. Doch, was wir heute hierzu vom Rat zu hören bekamen, das war in keiner Weise ausreichend. Das Parlament hat zahlreiche Empfehlungen verabschiedet, damit schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen ein für alle Mal der Vergangenheit angehören. Ich erwarte, dass der Rat sein Handeln daran ausrichtet.