Brasilien als Teil einer Region begreifen

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Vorsitzender, Herr Kommissar

Vor uns liegt die Mitteilung der Kommission Auf dem Weg zu einer strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Brasilien vom 30. Mai 2007. Brasilien ist ganz sicher ein bedeutender Akteur in den internationalen Beziehungen und ein wichtiger Partner für die EU.

Aber es gibt eine ganze Menge großer, mittlerer und kleinerer Akteure in der Welt und wir müssen ihnen allen unsere Aufmerksamkeit schenken. Regionale Integration – aktuell Mercosur oder UNASUR – ist aus meiner Sicht der richtige Ansatz, alle Länder einzubeziehen. Berechtigter Weise hat die Kommission bislang immer vor allem auf Verhandlungen mit Staatenblöcken gesetzt und hat regionale Integration unterstützt, statt mit einzelnen Staaten zu verhandeln. In einer von diesem Parlament angenommenen Resolution, die im Zusammenhang mit dem Bericht meines Kollegen Varela steht, hat die EU die Vereinigten Staaten sogar kritisiert, dass sie diese regionale Dimension außer Acht lässt und stattdessen Abkommen mit Einzelstaaten vorzieht.

Auch wenn die Verhandlungen mit dem Mercosur nur langsam vorankommen: Die EU sollte der Regierung Brasiliens und unserer anderen Partner das eindeutige Signal senden, dass sie keine bilateralen Handelsabkommen mit einzelnen Regierungen abschließen wird, die den Integrationsprozessen in den jeweiligen Regionen entgegenstehen – nicht mit Brasilien, das Mitglied von Mercosur und in Zukunft potentiell UNASUR ist, nicht mit Kolumbien oder Peru, die Mitglied der Andengemeinschaft sind und ebenfalls potentielle Mitglieder des UNASUR.

Die Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit dem Mercosur sind keine Kleinigkeiten, sondern es geht um Fragen, die ernsthaft diskutiert werden müssen. Hier eröffnet sich eine exzellente Möglichkeit für gemeinsame Debatten und gegebenenfalls eine Reorientierung unserer Strategie dieser Region gegenüber. Die Zukunft der Landwirtschaft – und nicht bloß die der Agrarindustrie – , die Zukunft des Dienstleistungssektors, Industrialisierung, Technologietransfer, Zugang zu Medikamenten – das sind alles Fragen, auf die wir gemeinsam mit den lateinamerikanischen Partnern Antworten finden müssen, wenn es uns um echte Kooperation mit der Region geht.

Unser Ziel sollte ein Kooperationsprozess sein, bei dem die Interessen der Bürger im Mittelpunkt stehen. Zusammenarbeit darf sich nicht darauf beschränken, Marktanteile und Zugang zu Energie und Wasser aufzuteilen oder Patente auf „geistiges Eigentum“ zu verteilen.

Meine Fraktion hat es sehr begrüßt, dass Brasilien auch gegen die Einwände der Pharmaindustrie wichtige Schritte unternommen hat, um – wie Thailand – den Zugang zu Medikamenten zu verbessern. Solche Schritte sollten von Kommission und Rat unterstützt werden.

Wir begrüßen auch, dass Brasilien sich bereit erklärt hat, das Problem der Zerstörung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet zu diskutieren, denn das Amazonas-Gebiet ist essentiell für die Stabilisierung des Klimas. Auch wenn sich die Zerstörung des Regenwaldes in den vergangenen zwei Jahren verlangsamt hat – gestoppt ist sie noch längst nicht und sollte uns daher weiterhin große Sorgen machen. Das Drängen der USA, der EU und anderer Akteure auf Zugang zu Biokraftstoffen, insbesondere Ethanol, statt ihr Konsumverhalten besser zu kontrollieren, ist eine weitere Gefahr für den Regenwald und die Nahrungsmittelsicherheit.

Gelegentlich hören wir von den brasilianischen Behörden, dass das Land seine Agrarindustrie ausbauen muss, um seine finanzielle Situation zu verbessern, insbesondere steht es ja vor dem Problem der Auslandsverschuldung. Wie Sie wissen, versuchen die neuen Regierungen in der Region, neue Wege zur Lösung dieses Problems zu gehen. Bolivien, Ecuador, Nicaragua, Venezuela, Paraguay, Argentinien haben sich zusammengeschlossen, um eine neue „Bank des Südens“ zu schaffen und damit unabhängig von der Weltbank und dem IWF zu werden. Ich denke, das sind gute Neuigkeiten.

Die EU sollte dabei nicht passiv zuschauen, sondern aktiv werden und diese Ansätze, die völlig im Einklang stehen mit unseren eigenen Zielen der Kooperation und des Umweltschutzes, bestärken und unterstützen.