Das soziale Europa ist entscheidend für die Zukunft der EU
Rede von Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Europaabgeordnete der Partei DIE LINKE zur Zukunft Europas.
Herr Ministerpräsident,
morgen wird das Parlament darüber entscheiden, ob die Grundrechtecharta der Europäischen Union künftig rechtsverbindlich sein wird. Für mich als ehemaliges Mitglied des Grundrechtekonvents wird dies eine ganz besondere Abstimmung. Und zwar nicht nur, weil ich die Ehre hatte, das modernste europäische Grundrechtedokument mit zu erarbeiten. Auch nicht nur deshalb, weil ich wie viele andere auch sieben lange Jahre lang dafür gestritten habe, dass sie Rechtsverbindlichkeit erlangt.
Die Charta der Grundrechte fußt auf der Unteilbarkeit der bürgerlichen, politischen und sozialen Menschenrechte. Gerade dies ist für mich als Abgeordnete der Linken, die aus Berlin kommt und bis zu Wende in der DDR gelebt hat, von fundamentaler Bedeutung. Für mich ist das klare Ja zur Charta die Konsequenz der unverzichtbaren kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, mit der massiven Verletzung von Grund- und Menschenrechten im Realsozialismus.
Ihr Land, Herr Ministerpräsident, spielt in der EU eine wichtige Rolle. Die Bürgerinnen und Bürger Spaniens haben vor allem mit ihrem Ja im Referendum zum damaligen Verfassungsvertrag einen großen Beitrag dafür geleistet, dass die Grundrechtecharta nicht ad acta gelegt werden konnte. Daran können und sollten Sie anknüpfen.
Alle Menschen verbinden große Erwartungen mit Europa. Sie erwarten, dass es sich ihrer tagtäglichen Sorgen und Nöte annimmt. Sie wollen, dass Europa „inhaltlich und nicht nur von der Melodie her“ – wie Jean Claude Juncker es nannte – daran arbeitet, ein Europa der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu werden, ein wahrhaftes Europa der Solidarität. Lohn- und Sozialdumping in der EU muss endlich entschieden der Kampf angesagt werden. Existenzsichernde Mindestlöhne für alle – das ist es, was wir brauchen. Die soziale Frage ist die entscheidende für die Zukunft Europas.