Gabi Zimmer: Lissabon-Strategie verhindert Klimaschutz

Linke schlägt Erhebung von Ökosteuer durch die EU zur Finanzierung dringender sozialer und ökologischer Massnahmen vor.

Gabi Zimmers Rede für die Linksfraktion im Europäischen Parlament in der Plenardebatte zur Auswertung des Gipfels vom 8./9. März 2007 in Brüssel

Meine Damen und Herren, Herr Präsident.

Alle reden zuerst über die historische Bedeutung des letzten Gipfels für den Klimaschutz und den Umweltschutz und übersehen dabei,
dass in anderen wichtigen Feldern wie der Beschäftigungspolitik, des europäischen Sozialmodells keine neuen Weichenstellungen vorgenommen und damit Chancen vergeben wurden.

Die Lissabon-Strategie mit ihrer Orientierung an globaler Konkurrenzfähigkeit der Europäischen Union bzw. ihrer global player
verhindert sowohl eine wirksame Ausrichtung im Kampf um Klimaschutz als auch im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung.

Dabei weiß ich sehr wohl zu würdigen, dass beim Klimaschutz einige Schritte in die richtige Richtung getan wurden.
Allerdings liegt auf der Hand, dass diese Schritte viel zu knapp bemessen sind und dass dennoch ihre Verlangsamung und ihr Abbruch drohen.

Die EU steht sich selbst wieder im Wege, wenn sie ihre eigenen Studien beiseite schiebt, die zu dem Ergebnis kommen, dass eine Reduktion der Treibhausgase um 30 Prozent notwendig ist, um eine irreversible Erwärmung und damit bis zu 86.000 zusätzlichen „Klimatoten“ pro Jahr in der EU zu vermeiden.

Das Problem ist nicht, dass linker Opposition prinzipiell zu wenig wäre, was Regierende Richtiges tun.

Das Problem ist, dass der falsche politische Kurs beibehalten wird bzw. nicht die entscheidenden Kurskorrekturen vorgenommen werden.

Es verwundert auch nicht, dass die Bekämpfung von Armut, sozialer Ausgrenzung und sozialen Spaltungen auf dem Gipfel weiter marginalisiert blieb und schon gar nicht mit einem konsequenten Vorgehen gegen globale Erwärmung und Umweltzerstörung verbunden wurde.

Herr Verheugen, genau diese enge Verzahnung hat der Gipfel eben nich thematisiert, trotz ihrer heutigen Ausführungen.

Dabei wurden seitens der Europäischen Kommission seit Jahren Studien vorgelegt, die das Beschäftigungspotenzial von erneuerbaren Energien aufzeigen, externe Kosten und die Lenkungswirkungen von Ökosteuern thematisieren.

Deren Erhebung könnte die Einnahmen der Europäischen Union erhöhen, was für dringend gebotene soziale und ökologische Maßnahmen notwendig ist.

Allerdings legt die Kommission selbst beiseite, was den Europäischen Rat vom Denken an einen reibungslos funktionierenden gemeinsamen Markt ablenken könnte.
Denn dieser gilt weiter als sogenannter „Kern der Lissabon-Agenda“.

Die Logik der Märkte als Logik herrschender Politik erklärt dann auch,
warum der Europäische Rat die Förderung der Umweltverträglichkeit und die Bekämpfung des Klimawandels erst als letztes Hauptziel der EU-Energiepolitik im aktionsplan „Energiepolitik für Europa“ benennt.

Sie erklärt ferner, warum trotz seiner Klage über den wachsenden Anteil der Treibhausgasemissionen aus den Entwicklungsländern der Europäische Rat auf Tempo in den Verhandlungen zu den Europäischen Partnerschaftsabkommen drückt.
Diese Freihandelsabkommen sind brutaler Neokolonialismus, sozial und ökologisch zerstörerisch.

Es sind zumindest drei Schlussfolgerungen zu ziehen:

1. Die Prioritäten zeitgemäßer Politik sind Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung und zugleich der Klimakatastrophe

2. Die EPA-Verhandlungen müssen gestoppt werden. Die EU und ihre Mitgliedsländer sollen sich innerhalb der WTO für den Erhalt und Ausbau von Präferenzen für die ärmsten und armen Länder engagieren.

3. Am 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge werden jene Passagen aus dem Entwurf der Europäischen Verfassung gestrichen, die auf wirtschaftspolitische Deregulierung und Privatisierung und auf Aufrüstung zielen.