Handelspolitik, Menschenrechte und Demokratie

Redebeitrag von Helmuth Markov zum EP Seminar „Der Einfluss der Entschließungen und anderer Aktivitäten des Europäischen Parlaments im Bereich der Menschenrechte außerhalb der EU“, Dienstag, 27 März 2007 in Brüssel

Gegenwärtig gibt es keine Menschenrechts- und Demokratieklauseln in irgendeinem generellen Handelsabkommen der EU mit entwickelten Ländern. Auch war die Diskussion um Menschenrechte und Demokratie in den Außenhandelsbeziehungen mit Ländern in Süd- und Ostasien kein dauerhafter Bestandteil.

Im Gegenteil. Der bilaterale Handel mit China wird über ein Kooperationsabkommen von 1985 ohne Menschenrechts- und Demokratieklauseln reguliert. Die Handelsbeziehungen mit sechs von zehn asiatischen Ländern, verlaufen über ein 1980 geschlossenes Abkommen – ebenfalls ohne irgendeine entsprechende Klausel.

Außerdem bezog die EU in keines ihrer sektoriellen Handelsabkommen (Fischerei, Stahl, Textil) Menschenrechts- und Demokratieklauseln mit ein, auch nicht bei den Ländern, in denen Menschenrechts- und Demokratieprinzipien eindeutig missachtet werden.

Bereits 2005, im Zusammenhang mit dem Agnoletto-Bericht („Bericht über die Menschenrechte und Demokratieklauseln in Abkommen der Europäischen Union“), hat das Parlament die Kommission aufgerufen, eine Standard-Menschenrechtsklausel in alle zukünftigen internationalen Abkommen, einzubeziehen – einschließlich der sektoralen Handelsabkommen mit Drittstaaten und der autonomen Handelsmaßnahmen, die Drittstaaten zugestanden werden.

Der INTA Ausschuss ist der Auffassung, dass eine zeitweise Aufhebung von Handelsabkommen und autonomen Handelsmaßnahmen nur nach transparenten und objektiven Kriterien, die für alle Länder gleich gelten, durchgeführt werden kann und dass solche Maßnahmen zeitlich begrenzt sein müssen.

Unser Ausschuss ist überzeugt davon, dass das Aufstellen von ständigen Unterausschüssen für Menschenrechtsfragen im Rahmenwerk der internationalen Abkommen, einschließlich der sektoriellen Handelsabkommen, dazu beitragen kann, einen strukturellen Dialog über Menschenrechte und demokratische Prinzipien weiterzuentwickeln.

Eine Vielzahl unterschiedlicher restriktiver Maßnahmen in Reaktion auf Verletzung von Menschenrechten ist vorstellbar, eingeschlossen generelle oder spezielle Handelssanktionen, welche für spezifische Produkte, wie beispielsweise Öl oder Diamanten, festgelegt sind, genauso wie Waffenembargos.

Wissend, dass Handelsbeschränkungen schwierig zu handhaben sind und damit auch ein Risiko darstellen, unangemessen hohe ökonomische und menschliche Opfer zu fordern, bevorzugt die EU eine Menschenrechtspolitik in Handelsabkommen, die vor allem auf Anreizen und nicht auf Sanktionen basiert.

Eines der ganz wenigen Beispiele von Handelssanktionierungen war die Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten vom Dezember 2006, Weissrussland die Handelsbegünstigungen aufgrund gravierender und systematischer Verletzungen im Bereich des Arbeitsrechts zu entziehen.

Generell bevorzugt die EU die Nutzung von Anreizen, wie im Fall des GSP + (Generalized System of Preferences) Programms, welches für beide Seiten zusätzliche Vorzüge bereit hält. Das gilt für Länder, welche einen Großteil der Menschenrechts- und Umweltschutzabkommen ratifizieren und umsetzen. Wo Länder es nicht schaffen, derartige Normen einzuhalten, werden die Bevorzugungen aufgehoben.

Ich glaube, dass wir gewährleisten müssen, dass Handel und dessen Regeln Menschenrechte respektiert, voranbringt und erfüllt. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Menschenrechte universell und unteilbar sind und es keine Unterschiede in der Bewertung von Menschenrechtsverletzungen geben darf. Dies bedeutet, dass die Einhaltung der sozialen Menschenrechte genauso stringent einzufordern ist wie die der individuellen. Demnach muss auch Handelspolitik von den Produzenten die Gewährleistung z. B. von Arbeits- und Gesundheitsschutz, fairer Entlohnung, Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und des Verbots von Kinderarbeit einfordern.

Kriege wiederum verhindern Handel und solche ohne UN-Mandat sind nicht nur an sich völkerrechtswidrig, sondern verletzen auch noch selbst die elementarsten Menschenrechte.

Der beste Weg, Menschrechte zu befördern, ist, menschenrechtliche Belange wie Nicht-Diskriminierung, Monitoring, demokratische Teilhabe und Rechenschaftspflichtigkeit in alle Schritte der Gestaltung und Umsetzung von Handelspolitik einzubeziehen.

Genau hier hat das Europäische Parlament eine wichtige Rolle zu spielen. Und in diesem Zusammenhang wollen wir auch das Vorhaben einer wirklichen parlamentarischen Dimension der WTO realisieren: mit der Schaffung einer echten parlamentarischen Versammlung.

Die Rolle des Europaparlaments bei der Begleitung der WTO-Verhandlungen im Rahmen der Doha-Entwicklungsrunde ist wichtig. Hinsichtlich der globalen wirtschaftlichen Gleichberechtigung und auch der menschenrechtlichen Aspekte sehe ich jedoch noch größere Probleme bei jenen Handelsvereinbarungen, die außerhalb des multilateralen Rahmens entwickelt werden. Tatsächlich werden regionale und bilaterale Handelsvereinbarungen noch weit mehr hinter verschlossenen Türen ausgehandelt als WTO-Vereinbarungen – mit allen dabei entstehenden Problemen der Intransparenz, Machtungleichheit und schließlich daraus folgender Resultate, die eben nicht für alle Beteiligten in gleichem Maße vorteilhaft sind.

Darum sollte das Europäische Parlament diese neue Welle der Aushandlung bilateraler Handelsverträge mit Drittländern oder Ländergruppen, in denen sich die EU – der Global Europe Strategie der Kommission vom Oktober 2006 folgend – engagiert, sehr genau beobachten.

Hinsichtlich der Beziehung zwischen dem Ausschuss für internationalen Handel und dem Unterausschuss für Menschenrechte meine ich, die wichtigste Feststellung der vorliegenden Studie ist, dass der Einfluss des EP wächst, wenn wir zu einer Koordinierung in der Lage sind, die das gesamte globale System und seine vielfältigen Aspekten beachtet.

Der Ausschuss für internationalen Handel wird aktiv dazu beitragen, Menschenrechtsfragen zu einem der zentralen Aspekte bei allen Aktivitäten des EP zu machen.

Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass wir enger zusammenarbeiten und unsere Tätigkeit besser koordinieren. Vorschlagen möchte ich daher, dass unsere Ausschusssekretariate die Tagesordnungen des jeweils anderen Ausschusses mitverfolgen und auch gemeinsame Initiativen vorschlagen, beispielsweise gemeinsame Anhörungen, wie sie im Anhang der Studie erwähnt sind.

Geboten ist, gemeinsam an einer größeren Kohärenz der außenpolitischen Positionierung des Europäischen Parlaments zu arbeiten.

Deshalb möchte ich Frau Flautre ganz herzlich danken, dass sie die Initiative ergriffen und die Vorsitzenden der verschiedenen Ausschüsse und Delegationen, die irgendwo alle mit der Frage der Menschenrechte befasst sind, eingeladen hat.