Nur ein soziales Europa ist zukunftsfähig
Plenardebatte zur Zukunft Europas mit dem Ministerpräsidenten Belgiens Guy Verhofstadt, Brüssel am 31. Mai 2006
Rede von Sylvia-Yvonne Kaufmann, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS
Herr Ministerpräsident Verhofstadt,
es ist in der Tat anerkennenswert, dass Sie mit ihrem jüngsten Buch und Ihrer Rede hier heute dazu beitragen, die fatale „Pause des Denkens“ zu beenden. Es ist höchste Zeit, endlich wieder darüber zu diskutieren, wie es mit Europa weitergehen soll.
Ich persönlich teile Ihre Vision von föderalen Vereinigten Staaten von Europa. Allerdings, als Mitglied des Grundrechtekonvents sowie des Verfassungskonvents, ist mir in den Debatten dort deutlich geworden, dass dies wirklich sehr ferne Zukunftsmusik ist. Die Vorstellungen darüber, wie weit die europäische Integration fortgeführt werden sollte, sind extrem konträr, nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch zwischen den politischen Kräften, ja selbst innerhalb der politischen Familien, einschließlich meiner eigenen.
Angesichts dessen hätte ich zu Beginn des Verfassungskonvents nie erwartet, welch weit reichende Schritte zur Vertiefung der Integration möglich werden würden, wie viel mehr an Demokratie, an Bürgerrechten oder an Stärkung von Sozialstaatlichkeit. Die Verfassung bedeutet enormen Fortschritt für Europa, und sie widerspiegelt zugleich einen erreichten politischen Konsens. Sie ist führwahr kein „alter, ungenießbarer Krempel“, wie ein Mitglied meiner Partei jüngst verächtlich meinte.
Beides – Fortschritt wie Konsens – sollten nicht aufs Spiel gesetzt werden. Genau deshalb teile ich Ihr Kerneuropa-Konzept der Eurozonen-Staaten nicht, auch nicht die Variante der so genannten Pioniergruppe von Herrn Sarkozy. Beide Modelle sind m. E. schon deshalb unrealistisch, weil im letzten Jahr zwei Gründerstaaten ganz offensichtlich das Prädikat „Pionier Europas“ abhanden kam. Dass Kommissionspräsident Barroso die Zeichen der Zeit immer noch nicht verstanden hat, bezeugt seine so genannte „Bürgernahe Agenda“, die auf nichts anderes als auf ein „Zurück zu Nizza“ hinausläuft.
Herr Ministerpräsident, ich bin davon überzeugt: zukunftsfähig ist Europa nur als soziales Europa. Da teile ich die Meinung von Jean-Claude Juncker. Er wies bei der Verleihung des Aachener Karlspreises – zu dem ich ihm herzlich gratuliere – zu Recht darauf hin, dass Europa scheitern wird, wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingt, ein soziales Europa zu schaffen, zum Beispiel durch einen Mindestsockel an europaweit gültigen Arbeitnehmerrechten.
Schade, dass Sie heute die Chance verpasst haben, dies ebenso klar zu sagen.
Plenardebatte zur Zukunft Europas mit dem Ministerpräsidenten Belgiens Guy Verhofstadt, Brüssel am 31. Mai 2006
Rede von Sylvia-Yvonne Kaufmann, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS
Herr Ministerpräsident Verhofstadt,
es ist in der Tat anerkennenswert, dass Sie mit ihrem jüngsten Buch und Ihrer Rede hier heute dazu beitragen, die fatale „Pause des Denkens“ zu beenden. Es ist höchste Zeit, endlich wieder darüber zu diskutieren, wie es mit Europa weitergehen soll.
Ich persönlich teile Ihre Vision von föderalen Vereinigten Staaten von Europa. Allerdings, als Mitglied des Grundrechtekonvents sowie des Verfassungskonvents, ist mir in den Debatten dort deutlich geworden, dass dies wirklich sehr ferne Zukunftsmusik ist. Die Vorstellungen darüber, wie weit die europäische Integration fortgeführt werden sollte, sind extrem konträr, nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch zwischen den politischen Kräften, ja selbst innerhalb der politischen Familien, einschließlich meiner eigenen.
Angesichts dessen hätte ich zu Beginn des Verfassungskonvents nie erwartet, welch weit reichende Schritte zur Vertiefung der Integration möglich werden würden, wie viel mehr an Demokratie, an Bürgerrechten oder an Stärkung von Sozialstaatlichkeit. Die Verfassung bedeutet enormen Fortschritt für Europa, und sie widerspiegelt zugleich einen erreichten politischen Konsens. Sie ist führwahr kein „alter, ungenießbarer Krempel“, wie ein Mitglied meiner Partei jüngst verächtlich meinte.
Beides – Fortschritt wie Konsens – sollten nicht aufs Spiel gesetzt werden. Genau deshalb teile ich Ihr Kerneuropa-Konzept der Eurozonen-Staaten nicht, auch nicht die Variante der so genannten Pioniergruppe von Herrn Sarkozy. Beide Modelle sind m. E. schon deshalb unrealistisch, weil im letzten Jahr zwei Gründerstaaten ganz offensichtlich das Prädikat „Pionier Europas“ abhanden kam. Dass Kommissionspräsident Barroso die Zeichen der Zeit immer noch nicht verstanden hat, bezeugt seine so genannte „Bürgernahe Agenda“, die auf nichts anderes als auf ein „Zurück zu Nizza“ hinausläuft.
Herr Ministerpräsident, ich bin davon überzeugt: zukunftsfähig ist Europa nur als soziales Europa. Da teile ich die Meinung von Jean-Claude Juncker. Er wies bei der Verleihung des Aachener Karlspreises – zu dem ich ihm herzlich gratuliere – zu Recht darauf hin, dass Europa scheitern wird, wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingt, ein soziales Europa zu schaffen, zum Beispiel durch einen Mindestsockel an europaweit gültigen Arbeitnehmerrechten.
Schade, dass Sie heute die Chance verpasst haben, dies ebenso klar zu sagen.