Gesundheit statt Rüstung!
Rede während der Strasbourger Plenardebatte des Europäischen Parlaments anlässlich des Weltgesundheitstages am 05. April 2006.
„Working together for health“ ist ein sehr schönes Motto für einen Weltgesundheitstag, vorausgesetzt es wird auch von all jenen ernst genommen, die anlässlich des 7. April Reden halten, Presseerklärungen verfassen, Botschaften verlauten lassen.
Das gilt erst recht, für den Umgang mit den im Gesundheitswesen Tätigen bzw. Beschäftigten, denen ja der Weltgesundheitstag 2007 gewidmet ist.
So hat das Europäische Parlament sich damit auseinanderzusetzen, dass „Working together for health“ und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die im Gesundheitswesen Beschäftigten in der Europäischen Union nicht recht ernst genommen werden.
Im Gegenteil.
Dazu nur vier Bemerkungen:
1. Mit der Debatte zur Arbeitszeitrichtlinie und zu den Gesundheitsreformen wurden und werden Arbeitsbedingungen für im Gesundheitswesen Beschäftigte verschlechtert. Ich erinnere nur an die noch immer laufende Auseinandersetzung zur Anerkennung der Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit und den seit Wochen laufenden Streik der Klinikärzte und des medizinischen Personals in Deutschland. Für Millionen Menschen wird die Teilhabe an Gesundheitsleistungen eingeschränkt, verkompliziert, nicht notwendig verbessert und gesichert.
2. Das Budget, das der Europäische Rat im Dezember 2005 verabschiedet hat, ist trotz erweiterter Europäischer Union und gewachsenen Gesundheitsproblemen für den Bereich Gesundheit und Verbraucherschutz gegenüber dem noch geltenden Zeitraum gekürzt worden.
3. Obwohl die Frühjahresgipfel der Staats- und Regierungschefs zur Lissabonstrategie unserer Länder nur wenige Tage vor dem alljährlichen Weltgesundheitstag stattfinden, spielen dessen Themen keine oder nur eine lachhafte Rolle. Es geht um mehr Konkurrenzfähigkeit, mehr Belastungen und Stress für die/den Einzelne/n, was bekanntlich der Gesundheit der Bevölkerungsmehrheiten abträglich ist.
4. Vorgestern eröffnete die Europäische Kommission die öffentliche Konsultation über die Schaffung eines offenen „europäischen Markts für Verteidigungsgüter“ – sprich „Rüstungsgüter“. Damit ist klar, welcher politische Stellenwert unserer heutigen Debatten zukommen soll. Rüstung führt auf direktem Weg zur Zerstörung von Gesundheit! In diesem Kontext verweise ich auf den wachsenden Stellenwert des Militärischen in der Entwicklungspolitik, die eigentlich in den armen Ländern vor allem den Gesundheitszustand der Bevölkerung verbessern soll.
Dabei gibt es genügend Anlass und Stoff für eine Diskussion, die darauf zielt, den Gesundheitszustand der in der Europäischen Union Lebenden und den Beitrag der EU zur Verbesserung der Weltgesundheit zu erhöhen.
In diesem Zusammenhang werbe ich für das Studium des Global Health Watch 2005- des alternativen Weltgesundheitsreports. Er plädiert insbesondere für den Ausbau, die qualitative Verbesserung und Demokratisierung des öffentlichen Gesundheitsbereiches.
Hier ist von den im Gesundheitswesen Beschäftigen als „Lebensblut“ oder „Lebenssaft“ der Gesundheitsleistungen die Rede.
Es geht also nicht zuerst um Kosten und Kapital sowie um zweifelhafte Produktivität, sondern um das qualifizierte und verantwortungsvolle Engagement der Gesundheitsarbeiter/innen. Ihre Persönlichkeit, fachliche und soziale Kompetenzen sowie ihre Meinungen und Vorschläge sollten zählen!
Deshalb schlage ich eine öffentliche Konsultation der im Gesundheitswesen Beschäftigten und Tätigen zu folgenden Fragen vor:
1. Was macht Ihrer Meinung nach die Menschen am häufigsten krank bzw. ist ihrer Gesundheit besonders abträglich?
2. Was hindert Sie am meisten daran, Ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und soziale Kompetenzen maximal für die öffentliche Gesundheit einzusetzen?
3. Welche politischen Rahmenbedingungen müssten Ihrer Meinung nach in welchen Richtungen verändert werden, damit Sie besser arbeiten und die öffentliche Gesundheit verbessert werden können?
4. Was sollte die Europäische Union tun, um ihren Beitrag für die Weltgesundheit, für die Überwindung von HIV/Aids, Seuchen und der gesundheitlichen Folgen von Hunger, Trinkwasserknappheit und Umweltzerstörung zu heben?
Ich erinnere: In dem von HIV/Aids gebeutelten Sub-Sahara-Afrika gibt es ungefähr 750 000 Gesundheitsarbeiter/innen für 682 Millionen Menschen.
In den OECD-Ländern ist die Ärzte-Dichte 10 bis 15 mal höher und dennoch oftmals viel zu niedrig.
Statt über „selektive Wirtschaftsmigration“ zu reden und darauf zu setzen, dass wir Europäerinnen und Europäer unsere Probleme auf Kosten der Entwicklungsländer lösen, deren Ärzte und medizinisches Personal wir abwerben, sollten wir diesen Zustand beenden!