Deutsche EU-Ratspräsidentschaft Kolumne in: Schwäbisches Tagblatt, 22.12.2006

Vom ersten Januar 2007 an wird Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Das bedeutet, dass die ganze Regierungspolitik auf die EU ausgerichtet wird. Ein halbes Jahr lang wird die Bundesregierung dann ganz wesentlich die Agenda der EU bestimmen. Die Prioritäten dazu wurden von der Bundesregierung insbesondere im Programm für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft festgeschrieben. Dort finden sich Satzkombination wie diese: „Der Vorsitz strebt ferner weitere Schritte der militärischen Zusammenarbeit in der langfristigen Perspektive einer gemeinsamen europäischen Verteidigung an. Europas Wohlstand und politisches Gewicht in der Welt fußen entscheidend auf den Erfolgen europäischer Unternehmen auf den Weltmärkten.“

Tatsächlich ist ein zentraler Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft die Militarisierung Europas noch weiter zu beschleunigen. Die Gebiete, in denen die EuropäischeUnion im Rahmen ihrer Außen- und „Sicherheitspolitik“ auch militärisch besonders aktiv werden will, sind konkret benannt: Balkan, Zentralasien, Irak, Afghanistan, Sudan, Somalia und Kongo.

Die Fähigkeit der EU zu Militärinterventionen soll gestärkt werden. Dazu will man die Aufrüstungsfahrpläne, genannt Streitkräfteplanziel 2010 und Ziviles Planziel 2008 umsetzen. Zusätzlich wird ab dem 1. Januar 2007 die erste der 19 EU-Battle-Groups (deutsch-niederländisch-finnisch) aufgestellt und „für Einsätze in Krisengebieten zur Verfügung stehen“. Die Politikberatungsfirma dimap communications, die für viele große Firmen arbeitet, kommentiert dies so: „Einige zynische Beobachter erwarten, dass ein solches Instrument dazu führen wird, eine Krise zu finden, um die Truppen zum Einsatz zu bringen. Gerade deswegen wird es eine heikle politische Entscheidung, die Battle Groups während der deutschen Präsidentschaft einzusetzen.“

Die „autonome Handlungsfähigkeit“ der „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ soll verbessert werden“. Weiter wird der Kern eines EU-Generalstabs ab 2007 in Dienst gestellt, im orwellschen Neusprech „Zivil-Militärische Zelle“ genannt. Die Bundesregierung will, dass „die strategische Partnerschaft zwischen EU und NATO durch die Intensivierung des politischen Dialogs und der Zusammenarbeit in den Bereichen Einsatz und Fähigkeitenentwicklung ausgebaut werden.“

Zentrales Projekt ist, den EU-Verfassungsvertrag durchzusetzen. Dieser, so die Bundesregierung, sehe „die notwendigen inneren Reformen vor, um die Zukunftsfähigkeit der größer gewordenen Europäischen Union zu gewährleisten.“ Ob Angela Merkel damit die in die EU-Verfassung eingeschriebene Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung oder die neoliberale Festlegung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der EU auf eine „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ meint, bleibt unklar.

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft findet im Juni der Gipfel der acht größten Industriestaaten (G8) in Heiligendamm bei Rostock statt. Viele soziale Bewegungen mobilisieren zu Gegenveranstaltungen. Am 2. März treffen sich die EU-Militärminister in Wiesbaden, und am 9. und 10.Februar sind die wichtigsten Regierungsakteure in München bei der „Sicherheitskonferenz“. Ich werde die EU-Ratspräsidentschaft in einem extra Web-Blog auf meiner Homepage www.tobias-pflueger.de begleiten. Ich wünsche Ihnen einige ruhige Tage über Weihnachten und ein gutes neues Jahr.

Tobias Pflüger