Stimmerklärung Tobias Pflüger: Warum ich den EU-Verfassungsvertrag weiterhin ablehne
1. Eine ziviles und soziales Europa auf Grundlage des EU-Verfassungsvertrags ist nicht möglich.
2. Mit der EU-Verfassung soll die EU-Militarisierung entschieden vorangetrieben werden. Im Vergleich zum gültigen EU-Vertrag von Nizza wurde eine ganze Reihe von Militarisierungsprojekten, wie die EU-Rüstungsagentur (III-311) und die Battle-Groups (III-312) verfassungsvertraglich fixiert. Die EU-NATO-Kooperation erhält Verfassungsrang (I-41,7).
3. Der EU-Verfassungsvertrag soll die EU für die globale Kriegsführungsfähigkeit fit machen. Er eröffnet einen Rechtsraum für weltweite Militärinterventionen (I-41,1 und III-309)
4. Der EU-Verfassungsvertrag erhält eine explizite Aufrüstungsverpflichtung (I-41,3). Bei einer Ratifizierung würde sich die Tendenz auf EU-Ebene immer mehr Geld für Rüstung und Militärinterventionen auszugeben noch verstärken. Im Gegensatz zum Nizza-Vertrag würde der EU-Verfassungsvertrag sogar die Einrichtung eines eigenen EU-Militärhaushalts ermöglichen.
5. Mit dem EU-Verfassungsvertrag wird die Außen- und Sicherheitspolitik der EU nicht auf die UN-Charta als Ganzes, sondern lediglich auf die Grundsätze der UN-Charta verpflichtet (I-3,4). Dies lässt Interpretationsspielraum für die EU auch ohne UN-Mandat Krieg zu führen.
6. Der EU-Verfassungsvertrag dient als programmatische Blaupause, um die EU-Militarisierung voranzutreiben. So wird von den EU-Verantwortlichen versucht Teile des EU-Verfassungsvertrags an der geltenden Vertragslage vorbei, in die Tat umzusetzen. So hat die österreichische Ratspräsidentschaft es sich zum Ziel erklärt die EU-Rüstungsagentur (III-311) auszubauen und bis 2007 die Battle Groups (III-312) voll einzurichten.
7. Geradezu verräterisch ist die Sprache des am 19. Januar 2006 im EU-Parlament abgestimmten Berichts Duff/Voggenhuber. So wird im Bericht die Auffassung zum EU-Verfassungsvertrag vertreten, „dass ein positives Ergebnis der Reflexionsphase darin bestünde, dass der derzeitige Text beibehalten werden kann, obgleich dies nur möglich wäre, wenn damit wichtige Maßnahmen verknüpft werden, um die Öffentlichkeit zu beruhigen“. Offensichtlich wird beabsichtig die Ergebnisse der Referenden in Frankreich und den Niederlanden einfach zu übergehen. Das geht nicht.
8. Mit dem EU-Verfassungsvertrag soll der Neoliberalismus Verfassungsrang erhalten (III-177). Die anti-sozialen Gesetzesinitiativen der EU-Kommission für die Hafen- und Bolkesteinrichtlinien jetzt sind nur ein erster Vorgeschmack. Der Vorschlag der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel der EU-Verfassung eine rechtlich unverbindliche Erklärung zur „sozialen Dimension“ Europas anzuhängen, um dann in Frankreich und den Niederlanden erneut abstimmen zu lassen ist in diesem Zusammenhang schlicht skandalös.
9. Der EU-Verfassungsvertrag muss endlich ad acta gelegt werden, um eine Perspektive für ein soziales und ziviles Europa zu eröffnen.
Strasbourg, den 19. Januar 2006
Tobias Pflüger, Europaabgeordneter der Linksfraktion