Gemeinsame Erklärung zur Abstimmung über die Resolution des Europäischen Parlaments zu Kuba am 2. Februar 2006

André Brie,Sylvia-Yvonne Kaufmann,Helmuth Markov,Feleknas Uca,Gabi Zimmer

Die Europaabgeordneten der Linkspartei.PDS Gabi Zimmer, Helmuth Markov, André Brie, Feleknas Uca, Sylvia-Yvonne Kaufmann erklären zur Entschliessung des Europäischen Parlaments zur Haltung der EU gegenüber der kubanischen Regierung:

Text der EP-Resolution unter: http://www.europarl.eu.int/omk/sipade3?TYPE-DOC=TA&REF=P6-TA-2006-0042&MODE=SIP&L=DE&LSTDOC=N

1. Das Europäische Parlament hat den „Damen in Weiß“ aus Kuba im Dezember 2005 den Sacharow-Preis für geistige Freiheit verliehen. Die GUE/NGL-Fraktion hatte eine andere Kandidatin für den Preis vorgeschlagen, die Entscheidung zur Vergabe des Sacharov-Preises ist mit Mehrheit vom Europäischen Parlament getroffen worden.

2. Die „Damen in Weiß“ konnten an der Zeremonie nicht teilnehmen, da die kubanischen Behörden immer neue administrative Hürden aufbauten, die eine Ausreise unmöglich machten. Die „Damen in Weiß“ wurden von Blanca Reyes, einer Exilkubanerin, vertreten. Sie nahm den Preis jedoch nicht entgegen, da die „Damen in Weiß“ wünschen, dass ihnen der Preis von einer Delegation des Europäischen Parlaments in ihrer Heimat in Kuba übergeben wird.

3. Der Präsident des Europäischen Parlaments hat bei den kubanischen Behörden erfolglos interveniert. Es ist nur natürlich, dass das Parlament sich in einer Stellungnahme dazu äußert. Das hat es in der Vergangenheit immer dann getan, wenn Preisträger/innen durch ihre Regierungen die Entgegennahme des Preises verwehrt worden ist. Die GUE/NGL-Fraktion und die Abgeordneten der Linkspartei.PDS haben sich hier immer besonders engagiert wie zum Beispiel bei Leyla Zana.

4. Die Fraktionen der Liberalen und der Konservativen haben versucht, diesen Anlass zu nutzen, um die im Januar 2005 aufgehobenen Sanktionen der EU gegen Kuba wieder einzuführen. In den Verhandlungen über den Text der EP-Entschließung ging es einzig um diese Frage, des Weiteren auch um die Entsendung einer EP-Delegation zur Übergabe des Preises in Kuba, was zu einer erneuten Eskalation des Konfliktes geführt hätte. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den Grünen ist es gelungen, diese beiden Probleme aus dem Entschließungstext des Parlaments herauszuhalten.

5. Die Durchsetzung der demokratischen und Menschenrechte innerhalb der Europäischen Union und weltweit ist für die Arbeit des Europäischen Parlaments von hoher Priorität. In zahlreichen Resolution und Berichten, die von der GUE/NGL-Fraktion immer unterstützt wurden, hat sich das Parlament zu Recht mit der Verletzung demokratischer und Menschenrechte auseinandergesetzt. Die GUE/NGL und die Delegation der PDS.Linkspartei sind vielfach selbst initiativ geworden, um sich mit Menschenrechtsverletzungen in EU-Mitgliedsländern aber auch in Ländern und Regionen, zu denen die EU direkte Kontakte unterhält, auseinanderzusetzen.

6. Uns sind die Unzulänglichkeiten des Entschließungstextes des Parlaments absolut bewusst. In der Resolution unserer Fraktion haben wir uns wesentlich differenzierter, mit der Situation, in der die kubanischen Behörden ihre Entscheidung zur Ausreise der „Damen in Weiß“ getroffen haben, auseinandergesetzt. Wir haben

• auf das allgemeine Umfeld verwiesen, in dem diese neuerlichen Spannungen entstehen, insbesondere die schwerwiegenden Folgen des Embargos, das dem Inselstaat von den Vereinigten Staaten seit über 40 Jahren unter eindeutiger Verletzung des Völkerrechts auferlegt wird, sowie die Drohungen und Anschläge auch terroristischer Art, und die in aller Regel von den Vereinigten Staaten ausgehenden wiederholten Versuche, Kuba zu destabilisieren;

• angeprangert, dass dieses Embargo schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft und die Lebensbedingungen der kubanischen Bevölkerung hat;

• hervorgehoben, dass es der kubanischen Regierung dennoch gelungen ist, den Zugang der Bevölkerung zu Gesundheitsdiensten, zu Bildung und medizinischer Forschung zu gewährleisten;

• gefordert, dass die Kritik an Kuba in keiner Weise dazu führen darf, dass die von Washington in Bezug auf den Inselstaat praktizierte Strategie der Spannungen und der Destabilisierung verniedlicht, gedeckt oder gar nachgeahmt wird;

7. Die Fraktion hat den Entschließungstext des Europäischen Parlaments nicht gezeichnet, weil wir eine Reduzierung der Debatte über Kuba auf die Frage der demokratischen und Menschenrechte für zu einseitig halten. Wir haben dann versucht, mit Änderungsanträgen zur Wirtschaftsblockade und zur Notwendigkeit der konsequenten Weiterentwicklung der Beziehungen zu Kuba den Text zu verbessern. Da aus den Konsultationen mit den anderen Fraktionen deutlich wurde, dass eine breite Mehrheit gegen diese Änderungen im Text gestimmt hätte, haben wir auf die Einreichung dieser Anträge verzichtet, gerade um durch die vorhersehbare Abstimmungsniederlage kein gegen Kuba gerichtetes politisches Signal nach außen zu senden.

8. Derartige Entschließungsanträge des Europäischen Parlaments entstehen im Ergebnis von Kompromiss-Verhandlungen zwischen den Fraktionen. Ob wir derartige Texte zeichnen, ihnen zustimmen oder sie ablehnen, ist immer ein komplizierter Abwägungsprozess.

Dieser Abwägungsprozess hat bei den Abgeordneten der Linkspartei wie auch in der gesamten Fraktion zu einem unterschiedlichen Ergebnis geführt. Sahra Wagenknecht hat gegen die Resolution gestimmt, Feleknas Uca und Sylvia-Yvonne Kaufmann habe sich enthalten, Helmuth Markov, Gabi Zimmer und André Brie haben der Resolution des Parlaments zugestimmt. (Tobias Pflüger war bei der Abstimmung nicht anwesend.)

Für diejenigen, die die Resolution nicht abgelehnt haben, ging es um eine klare kritische Aussage zur Tatsache, dass die kubanischen Behörden Bürgern die Ausreise verweigern – eine Praxis, die angesichts unserer eigenen Erfahrungen nicht kritiklos toleriert werden kann.
Aus unserer Sicht darf sich die Linke nicht scheuen, Menschenrechtsverletzungen in Kuba im Rahmen ihrer Solidarität mit Kuba zu kritisieren.

• erstens aus sachlichen Gründen, denn es gibt ernste Verletzungen der demokratischen Menschenrechte.

• zweitens aus prinzipieller Erwägungen: Uns unterscheidet von anderen politischen Kräften im Europäischen Parlament die Konsequenz unserer Haltung hinsichtlich der Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte. Wir kritisieren Menschenrechtsverletzungen nicht nur bei unseren politischen Gegnern oder in der EU und in Tschetschenien, sondern überall, wo sie auftreten, während Konservative, Liberale, Sozialdemokraten und Grüne oft genug sie dort tolerieren, wo es sich um Bündnispartner handelt oder es ihnen politisch nicht opportun scheint.

• drittens, wenn wir in unserer Menschenrechtspolitik Staaten mit zweierlei Maß bewerten würden, würden wir unsere Glaubwürdigkeit überall dort schmälern, wo es ganz besonders wichtig ist, der Verletzung der demokratischen und Menschenrechte ein Ende zu setzen. (Türkei, Irak, USA etc.)

Wichtig war für uns in diesem Fall auch, dass Linke für andere Fraktionen und Abgeordnete, mit denen wir gemeinsam gegen neue Sanktionen und gegen eine Eskalation der Auseinandersetzungen um die Sacharow-Preisträger gestritten haben, Partner für die kommenden Debatten zu bleiben.

Jonas Sjöstedt von der schwedischen Linkspartei hat stellvertretend für alle Abgeordneten unserer Fraktion, die der Entschließung des Parlaments zugestimmt haben, eine Erklärung zur Abstimmung abgegeben, die diese Position erläutert:

“ DECLARATION OF VOTE

Resolution on Cuba.

I have voted in favour of the proposed resolution on Cuba, even though it is missing several important facts in the political context.

The main problem in the Cuban situation is caused by the US-lead blockade and the US’s aggressive threats against Cuba.

Putting an end to the blockade and stopping the aggressive threats by the USA would be the most important step to create an atmosphere in which there would be better possibilities to create a true democracy in Cuba.

But the US’s aggressive policy is not the only reason for the severe restrictions on freedom of expression and democracy in Cuba. The Cuban government has also its own individual responsibility to bear.

One example among others is the decision not to let the Sakharov prize-winners, the „Damas de Blanco“ to leave the country to receive the prize in Strasbourg.

I am voting in favour of the resolution, despite its imperfections, since I want to protest against the Cuban government’s travel ban on the Damas de Blanco.“