Die europäischen Regierungen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen
Rede der Europaabgeordneten der Linkspartei.PDS, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Mitglied des CIA-Sonderausschusses auf der Plenartagung in Straßburg am 5. Juli 2006
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Im Namen der Freiheit und Demokratie hat die CIA Menschen entführt, verschleppt, verschwinden lassen, foltern lassen und selbst gefoltert. Spätestens bei der Anhörung von Khaled el Masri müsste es eigentlich selbst dem Letzten in diesem Haus vor Entsetzen die Sprache verschlagen haben!
Was aber taten unsere Regierungen? Nichts.
Der Fall el Masri war geradezu Kantinengespräch in Skopje. Deutsche Beamte wussten davon, doch die deutsche Regierung überließ Herrn el Masri seinem Schicksal – offenbar aus Gründen der Staatsräson.
Lassen Sie mich klipp und klar feststellen: Jede Regierung hat die Pflicht, ihre Bürgerinnen und Bürger vor Verletzungen ihrer Menschenrechte durch andere aktiv zu schützen. Das heißt, nichts zu tun, das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte!
Wieder und wieder werden Beweise angemahnt. Doch statt die Regierungen in die Pflicht zu nehmen, verlangt man „Beweise“ von den Opfern. Aus der rechten Ecke, aber auch aus den Reihen der Konservativen unseres Hauses springt man auf diesen Zug auf.
Aber, wen, so frage ich, trifft die Beweispflicht? Kollege Dick Marty vom Europarat hat völlig Recht: Es ist die grundrechtliche Pflicht der Regierungen, alle Menschenrechtsverletzungen, die in ihrem Territorium oder gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern begangen werden, aktiv aufzuklären. Sie müssen beweisen, sich stets korrekt und in Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und den gemeinsamen Grundwerten der Union verhalten zu haben.
Deshalb muss unser Ausschuss weiterarbeiten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Regierungen ihren Kopf in den Sand stecken, nicht die Regierung meines Landes und auch nicht die Regierung des Kandidatenstaates Mazedoniens, die versucht hat, uns ein X für ein U vorzumachen.