Keine Beihilfe zum Arbeitsplatzabbau!
Beitrag von Helmuth Markov in der Aussprache über wirtschaftliche und soziale Folgen von Betriebsumstrukturierungen in Europa
Beitrag von Helmuth Markov in der Aussprache über wirtschaftliche und soziale Folgen von Betriebsumstrukturierungen in Europa
Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen,
die Betriebsstilllegungen, die General Motors in Portugal und Eaton in Italien planen, sind längst keine Einzelfälle. In 2005 sind weit über eine halbe Million Arbeitsplätze so genannten Unternehmenssanierungen zum Opfer gefallen. Betroffen sind neben der Automobilbranche u. a. der Maschinenbau-, Textil-, Banken- oder Versicherungssektor. Es stimmt zwar, dass im Zuge von Umstrukturierungen durchgeführte Unternehmensverlagerung in einen anderen EU-Mitgliedstaat dort einige Arbeitsplätze schaffen können. Aber ausgerechnet bei den größten multinationalen Konzernen steigen die Profite ebenso kontinuierlich, wie die Beschäftigtenzahlen sinken. Die börsennotierten Unternehmen schreiben egal, in welchem Land die höchsten Gewinne, die sie je geschrieben haben. Die Umsätze explodieren und die Arbeitskräfte werden dramatisch abgebaut. Die Produktivität der DAX-orientierten Unternehmen ist in den letzten drei Jahren im Schnitt um 6,5 % gestiegen. Das heißt doch, dass sie wettbewerbsfähig sind! Wenn wir uns darüber unterhalten, was zu tun ist, müssen wir uns die Frage stellen, ob die Basis, auf der wir die Beihilfen geben, richtig ist.
Einige Unternehmen erhalten immer wieder Fördermittel aus dem Haushalt der EU oder der Mitgliedstaaten, bauen kurzfristig Produktionsstandorte auf, schließen sie, sobald sie Möglichkeiten noch billigerer Produktion an einem anderen Standort sehen und erhalten erneut Fördergelder und Vergünstigungen. Der Bürger bezahlt hier mit seinen Steuergeldern die Profite der Unternehmen und gleichzeitig den Abbau von Arbeitsplätzen. Wir finanzieren den Unternehmen ihre Forschung und Entwicklung, wir finanzieren ihnen ihre Ausgaben für Ausrüstung und hinterher entlassen sie die Arbeitskräfte, und der europäische Steuerzahler soll diese Arbeitslosen dann auch wieder mitfinanzieren. Das kann doch keine volkswirtschaftliche Lösung sein!
Das Europäische Parlament hat auf diese unhaltbare Situation wiederholt aufmerksam gemacht und gefordert, dass – richtige – Struktur- und Regionalpolitik keine Anreize für Betriebsverlagerungen bieten darf, die Arbeitsplatzverluste zur Folge haben. Es muss garantiert werden, dass Unternehmen, die staatliche Beihilfen erhalten, daran geknüpfte Verpflichtungen einhalten oder diese Beihilfen zurückzahlen. Solche Verpflichtungen wären u. a.:
ein vertraglich festgelegter Zeitraum, in dem Schaffung und Erhalt von sicheren und sozial abgesicherten Arbeitsplätzen garantiert werden muss.
die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten, einschließlich rechtzeitiger und umfassender Information über Veränderungen im Unternehmen und einschließlich der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretungen. Es ist ernsthaft zu überlegen, ob es denn Sinn macht, Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind und auf die die Gewerkschaften keinen Einfluss haben, Fördermittel zu geben.
Bei betriebsbedingt notwendigem Arbeitsplatzabbau müssen sozial verträgliche Betriebsvereinbarungen abgeschlossen und eingehalten werden.
Von der Kommission bzw. den Mitgliedstaaten darf man erwarten, dass sie solche Bestimmungen nicht nur festlegen, sondern auch kontinuierlich kontrollieren und bei Nichteinhaltung konsequent Fördermittel von den betreffenden Unternehmen zurückfordern und sie ggf. von zukünftigen staatlichen Beihilfen ausschließen.
Ich mache Ihnen noch ein paar weitere Vorschläge, die bisher meistens nicht berücksichtigt worden sind:
Beihilfen sollten vorrangig für Produkt- und Verfahrensinnovationen, für neue Forschung und Entwicklung ausgegeben werden und nicht so sehr für Anlagen und Ausrüstungen.
Es macht wenig Sinn, Rückforderung auf fünf Jahre zu begrenzen. Die Abschreibungsdauer von Ausrüstungen beträgt meistens 10-15 Jahre. Also müssen die Unternehmen so lange zurückzahlen, wie die Abschreibungen nicht erledigt worden sind.
Bei der Beurteilung, ob Fördermittel fließen sollen oder nicht, sollte davon ausgegangen und kontrolliert werden, ob die international agierenden Unternehmen an all ihren Standorten die Richtlinien der WHO, der Internationalen Arbeitsorganisation sowie die Emissionserfordernisse einhalten oder nicht. Wer das nicht tut, bekommt eben keine Fördermittel.
Und schließlich: Wenn wir eine wirkliche Struktur- und Regionalpolitik betreiben wollen, dann muss ein viel engerer Zusammenhang zwischen den Notwendigkeiten einer Förderung geschaffen werden, die nicht nur dem Unternehmen, sondern auch der Region zugute kommt.