Fairer Handel statt Freihandel

Redebeitrag von Helmuth Markov in der Plenardebatte über die Einstellung der Verhandlungen über die Entwicklungsagenda von Doha (Strasbourg, 05. September 2006)

Herr Präsident, Herr Kommissar! Dem Scheitern der WTO-Verhandlungen liegt aus meiner Sicht ganz wesentlich die Unfähigkeit der G6 (Australien, Brasilien, EU, Indien, Japan, USA) zugrunde, sich zunächst untereinander zu einigen, statt hauptsächlich die Interessen ihrer eigenen Agrarindustrie sowie Dienstleistungs- und Industriegüterexporteure zu vertreten. Strittig war namentlich die Nichtbereitschaft zur Reduktion der US-Agrarsubventionen, zum Abbau der EU-Zölle auf Agrargüter sowie der Importzölle auf Industriegüter aus Entwicklungsländern. Die gemachten Angebote lagen weit unter dem, was von den Entwicklungs- und Schwellenländern erwartet wurde. Sie hingegen sollten ihre Dienstleistungs- und Gütermärkte weitestgehend dem Weltmarkt öffnen.

Anspruch der in Doha begonnenen Verhandlungen ist es gewesen, eine Entwicklungsrunde zu begründen. Dass diese Runde nun zum Stillstand kam, ist zu bedauern. Allerdings waren die Konferenzen so sehr von der Interessenpolitik der Industrieländer und dem reinen Markt- und Liberalisierungsglauben geprägt, dass man von einer echten Entwicklungsrunde gar nicht sprechen konnte. Insofern denke ich, dass die Aussetzung der Gespräche die Möglichkeit gibt, die Verhandlungsansätze grundlegend zu überdenken und zu überarbeiten.

Notwendig wäre zum einen eine Verständigung zwischen den Industrieländern, insbesondere den USA und der EU, zum anderen ein Einvernehmen zwischen den Industrieländern und den Ländern des Südens sowie zwischen den Ländern des Südens. Aus meiner Sicht ist dazu ein verändertes Mandat der EU-Kommission erforderlich, das den Fokus nicht mehr auf Liberalisierung und Marktöffnung setzt, sondern auf die Schaffung eines tatsächlich fairen Welthandelssystems, das die höchst unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Länder dieser Erde berücksichtigt.

Beispielsweise ginge es darum endlich anzuerkennen, dass für bestimmte Länder der Schutz ihrer Märkte elementar sein kann, um überhaupt erst einen Entwicklungsstand zu erreichen, der ihnen den Handel mit eigenen Industrieprodukten ermöglicht. Es müssen außerdem Mechanismen erarbeitet werden, die faire und stabile Roh- und Grundstoffpreise garantieren.

Ich halte zudem eine grundsätzliche Reform der WTO und ihrer Abkommen für notwendiger denn je: Welthandel muss effektiv und transparent reguliert werden, statt einer bestimmten Wirtschaftsrichtung, dem Neoliberalismus, als Türöffner zu dienen. Bestimmte Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge – wie Bildung, Kultur, Gesundheit, Infrastruktur, Energie- und Wasserversorgung – haben meiner Meinung nach auf dem freien Markt nichts zu suchen.
Zudem müssen Menschenrechte, Arbeits-, Sozial- und Umweltnormen in den WTO- Regeln Beachtung finden. Die Institution als solche darf nicht weiterhin für Versuche benutzt werden, Souveränitätsrechte von Staaten und Völkern auszuhebeln. Es ist ja richtig, dass Handel ein Instrument zur Unterstützung von Entwicklung ist – aber nur dann, wenn Handelsabkommen fair und demokratisch zustande kommen.