EVP will Wasserversorgung liberalisieren
Rede vor dem Europäischen Parlament zum Morgantini-Bericht über Wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Wir haben uns in diesem Haus schon oft und in großer Einmütigkeit zu den Millennium Entwicklungszielen bekannt. Die Überwindung der Armut auf unserem Planeten ist unsere wichtigste Aufgabe in den nächsten Jahrzehnten. Sie ist von fundamentaler Bedeutung für die Verhinderung von Kriegen und von drohenden scharfen innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen.
Als Entwicklungsausschuss haben wir mit dem hervorragenden Bericht von Louisa Morgantini eine Bewertung vorgenommen, welchen Beitrag die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) zur Bewältigung dieser Aufgabe leisten können.
Wir haben die klare Erwartungshaltung an die Kommission formuliert, in den Verhandlungen der Entwicklung und der Armutsbekämpfung klaren Vorrang zu geben.
Gleichzeitig wollen wir keine Verhandlungen im Selbstverständnis einer Kolonialmacht sehen, sondern verlangen die Wahrung der Entscheidungssouveränität unserer Partner in den AKP-Staaten.
Es gilt, diese Souveränität zu fördern, durch Investitionen in die Handelsinfrastruktur, durch Unterstützung bei der Umsetzung der nationalen Strategien zur Bekämpfung der Armut – ganz im Sinne des auch in der Europäischen Union hoch gehaltenen Prinzips der Subsidiarität.
Und sollten sich Regierungen souverän entscheiden, WPA skeptisch zu entsprechen, dann muss die Kommission alternative Möglichkeiten prüfen, einschließlich nicht-gegenseitiger Vereinbarungen, denn dazu hat sich die Europäische Union mit Artikel 37 Absatz 6 des Cotonou Abkommens vertraglich verpflichtet.
Die EVP beantragt nun, den Verweis auf diesen Passus aus dem Bericht zu streichen. Warum? Fühlen Sie sich an Verträge nicht gebunden?
Die EVP beantragt weiterhin, fasst jeden Satz aus dem Bericht zu streichen, der den AKP-Regierungen Verhandlungssouveränität und einen eigenen politischen Spielraum in der Frage einräumt, ob es in einem Sektor Liberalisierung geben soll, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum. Warum? Sehen Sie in den WPA eine reine Fördermaßnahme für die Außenwirtschaftsbeziehungen der Europäischen Union unter von der EU diktierten Bedingungen?
Der Morgantini-Bericht fordert, die Grundversorgung mit Trinkwasser, die Bildung und andere zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge aus der Liberalisierung von vornherein auszuklammern. Ganz im Sinne der von Kommissar Michel vor diesem Parlament mehrfach geäußerten Position. Die EVP beantragt, dies zu streichen und fordert statt dessen, bei der Liberalisierung des Wassersektors auf bezahlbare Preise zu achten. Was für ein Zynismus ist das denn angesichts der Armut in weiten Teilen der Bevölkerungen der AKP-Staaten?
Der Bericht des Entwicklungsausschusses fordert, beim Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen durch Handel darauf zu achten, dass es sich um menschenwürdige Arbeitsplätze handelt. Ich erinnere Sie daran, dass Kommissar Verheugen noch in der letzten Plenarsitzung entrüstet jeden Verdacht zurückwies, die Kommission würde bei Vorschlägen zur Schaffung von Arbeitsplätzen nicht stets auf diese Vorgabe achten. Die EVP möchte das Ziel der Schaffung menschenwürdiger Arbeit nun streichen.
Ebenso wenig will sie soziale und ökologische Indikatoren oder die Auswirkung von Handelsabkommen auf Bildung, Gesundheit und geschlechtsspezifische Folgen zu Bewertungskriterien von Handelsabkommen machen. Und die Fraktion, die sich Liberal nennt, will den Konservativen auch noch zustimmen. Es ist Ihnen offensichtlich egal, welche Probleme wir exportieren – Hauptsache der Export brummt.
Es ist Ihre rückschrittliche und egoistische Haltung, die es uns so schwer macht, die Millennium Entwicklungsziele zu erreichen. Die europäischen Wählerinnen und Wähler, die mit ihrer großen Spendenbereitschaft so oft ein klares Bekenntnis zur Entwicklungspartnerschaft geleistet haben, sollten davon erfahren.