Abzug aus Afghanistan – Auflösung des Kommando Spezialkräfte Kolumne in: Schwäbisches Tagblatt, 27.10.2006
Was muss eigentlich noch passieren bis die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden? Leichenschändungen von deutschen Gebirgsjägern am Hindukusch, der Fall Kurnaz und die wahrscheinliche Kooperation beim Foltern und Misshandeln von Gefangenen durch das Kommando Spezialkräfte sprechen eine deutliche Sprache. Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt. Stattdessen wird immer deutlicher, dass deutsche Soldaten in aller Welt Hass auf sich ziehen. Deutschland versinkt mehr und mehr im Sumpf der Auslandseinsätze der Bundeswehr: Im Kongo, wo die EU als parteiischer Akteur zugunsten des autokratischen Präsidenten Kabila wahrgenommen wird oder in Afghanistan, wo bei westlichen Angriffsaktionen der Tod von Zivilisten als „Kollateralschaden“ achselzuckend hingenommen wird. Wer glaubt, dass dies ohne Folgen, auch hier in der Bundesrepublik, bleiben wird, der irrt.
Fast 9000 Bundeswehrsoldaten sind schon im Auslandseinsatz und geht es nach dem Willen der Bundesregierung sollen es noch mehr werden. Das am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedete Weißbuch zeigt, dass für die Zukunft sogar noch Schlimmeres vermutet werden muss. Die „Enttabuisierung des Militärischen“ (Gerhard Schröder) ist inzwischen weit fortgeschritten: „Die Bundeswehr beschreitet seit Jahren konsequent den Weg des Wandels zu einer Armee im Einsatz“, heißt es in dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Dokument.
Auffällig ist, wie offen das Weißbuch erklärt, die Bundeswehr habe militärisch für die Absicherung der Rohstoffversorgung zu sorgen: Deutschland sei „in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig. […] Energiefragen werden künftig für die globale Sicherheit eine immer wichtigere Rolle spielen.“ Aus diesem Grund „muss die Sicherheit der Energieinfrastruktur gewährleistet werden.“ Auch militärisch versteht sich.
Die Beteiligung an NATO und EU-Militäreinsätzen mit und ohne UN-Mandat ist dabei Mittel zum Zweck. Bezüglich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) wird im Weißbuch im Wesentlichen die im Dezember 2003 verabschiedete Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) wiedergegeben. Insbesondere wird auch einer ihrer Kernsätze übernommen: Die erste „Verteidigungslinie wird hierbei oft im Ausland liegen.“ Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Als Fachmann, der das Kommando Spezialkräfte (KSK) seit seiner Gründung im Jahr 1996 intensiv begleitet, hatte ich seit Jahren vor der Gefahr des Einsatzes dieser geheimen Elitetruppe der Exekutive gewarnt. Seit meinem Einzug ins Europäische Parlament weise ich zudem auch am Beispiel des Kommandos Spezialkräfte (KSK) darauf hin, wie wichtig eine – auch auf EU-Ebene eben nicht vorhandene – parlamentarisch-politische Kontrolle von Militäreinsätzen ist.