Bericht über das Ergebnis der Überprüfung von Vorschlägen, die sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befinden (2005/2214 (INI))

Rede der Europaabgeordneten der Linkspartei.PDS, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Berichterstatterin, Straßburg, den 15. Mai 2006

Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ihre Initiative, Herr Vizepräsident Verheugen, die Rechtsetzung in Europa deutlich zu verbessern und in diesem Zusammenhang 68 Gesetzesvorhaben zurückzuziehen, trifft zweifellos ins Schwarze. Die Europäische Union wird in der Öffentlichkeit unserer Mitgliedstaaten schon seit geraumer Zeit als viel zu bürokratisch und regelungswütig wahrgenommen. Von daher wurde es in der Tat höchste Zeit, sich dieser berechtigten Kritik zu stellen. Weniger, aber dafür qualitativ besser, das kann unter dem Strich letztendlich ein Mehr bedeuten, und das wäre sicher gut für Europa und seine Bürgerinnen und Bürger. Deshalb Herr Kommissar haben Sie mit diesem politischen Ansatz das Parlament als direkt gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger voll und ganz an Ihrer Seite. Und ich füge hinzu, nicht nur die Kommission, sondern auch das Parlament selbst ist hier gefordert.

In meinem Bericht, Herr Kommissar, geht es aber nicht um das Ob, sondern um das Wie. Es geht zum einen um die Frage, wie Kommission und Parlament als Institutionen zusammenarbeiten und zum anderen darum, ob die Kommission die Rolle des Parlaments als Gesetzgeber gebührend beachtet.

Wie Sie wissen, hat die Ankündigung der Kommission, laufende Gesetzesvorhaben zurückzuziehen bzw. zu ändern, nicht nur aus institutioneller Sicht in unserem Haus für einige Aufregung gesorgt. Die Ausschüsse des Parlaments haben die konkreten Einzelvorschläge einer genauen Prüfung unterzogen, und es gab daraufhin einen entsprechenden Briefwechsel zwischen den Präsidenten unserer Institutionen. Bei einigen Vorschlägen teilt das Parlament die Ansicht der Kommission nicht. Die Kommission ist jedoch bei ihrer Auffassung geblieben.

Herr Kommissar,

Parlament und Kommission haben fast genau vor einem Jahr eine Rahmenvereinbarung verabschiedet, die die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Institutionen auf eine erneuerte Grundlage gestellt hat. Der konstitutionelle Ausschuss hat daher nicht nur die vertragsrechtlichen Aspekte im Hinblick auf das von Ihnen angekündigte Paket zur Rücknahme bzw. Änderung von im Gesetzgebungsprozess befindlichen Legislativvorschlägen geprüft, sondern selbstverständlich auch die Rahmenvereinbarung, insbesondere die Punkte 31, 32 und 33.

Um es kurz und knapp zu sagen: Wir sehen über die Rahmenvereinbarung hinausgehenden Regelungsbedarf. Und von daher erwarten wir auch, dass sich die Kommission unseren Vorschlägen gegenüber nicht verschließt, sondern sich ihnen – im Geiste der loyalen Zusammenarbeit mit dem Parlament – anschließt.

Der gesamte Vorgang hat erstens gezeigt, dass die bisherige Vereinbarung, unser Haus vorab über die Absichten der Kommission zu informieren, so nicht ausreicht. Unsere Vorabinformation muss rechtzeitig erfolgen. Rechtzeitig heißt, dass das Parlament zur beabsichtigten Rücknahme von Vorschlägen nicht nur Stellung nehmen kann. Wir erwarten dabei natürlich vor allem, dass unsere Position bei der endgültigen Entscheidung der Kommission auch gebührend berücksichtigt wird. Sollte sich die Kommission aus gewichtigen Gründen anders als das Parlament entscheiden, dann gehen wir davon aus, dass dies uns gegenüber zumindest eingehend erläutert wird.

Deshalb müsste zweitens künftig auch ein anderes Vorgehen seitens der Kommission erfolgen, und zwar in Anlehnung an das auf nationaler Ebene praktizierte Diskontinuitätsprinzip. Jede neu eingesetzte Kommission sollte unmittelbar nach ihrem Amtsbeginn ein Verzeichnis der von ihrer Vorgänger-Kommission erstellten Legislativvorschläge vorlegen und darin zugleich aufzeigen, welche der schwebenden Legislativvorschläge sie beizubehalten gedenkt. Darüber hinaus sollte im jährlichen Legislativ- und Arbeitsprogramm ausgewiesen werden, welche der im Gesetzgebungsprozess befindlichen Legislativvorschläge zurückgezogen oder geändert werden sollen.

Drittens. Bei der jetzigen Entschlackungsinitiative wurde ein Paket vorgelegt. Ein Paket mit einer angefügten Liste von Legislativvorschlägen, das auch mit einer Paketbegründung versehen wurde. Einmal abgesehen davon, dass ich persönlich nicht nachvollziehen kann, weshalb das Kriterium der Wettbewerbfähigkeit zum Prinzip aller Prinzipien erklärt und quasi in den Adelsstand erhoben wird, will ich als Berichterstatterin des konstitutionellen Ausschusses unterstreichen, dass eine Paketbegründung genau das ist, was wir künftig nicht wollen.

Es war gerade das Begründungspaket, das diverse Irritationen hier im Hause nach sich zog. Es kann nicht Aufgabe des Parlaments sein, die Ideen der Kommission zu erforschen und die in der Paketbegründung formulierten Prinzipien jeweils den 68 betroffenen Vorschlägen zuzuordnen und vor allem überhaupt erst den Zusammenhang zwischen Begründung und Einzelvorschlag zu suchen. Aber genau dies ist Aufgabe der Kommission, wenn sie bestimmte Gesetzgebungsvorschläge zurücknehmen oder abändern will. Deshalb wollen wir, dass in Zukunft jeder einzelne Rücknahmevorschlag gesondert begründet wird.

Ein solches Vorgehen, Herr Kommissar, ist nicht nur für uns als Gesetzgeber wichtig. Meines Erachtens würde es auch der Kommission selbst gut tun. Denn hätten Sie die Vorschläge Stück für Stück einzeln begründet, dann, da bin ich mir sicher, ja dann hätten Sie sich auch nicht im Dickicht ihrer eigenen Behörde verheddert. Dann hätten Sie nämlich nicht angekündigt, den „Vorschlag“ für den „Beschluss des Rates zur Genehmigung des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft zum Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ zurückzuziehen, dann hätten sie bemerkt, dass er bereits beschlossen wurde; sie finden ihn im Amtsblatt L 30 aus dem Jahre 2005. Die Befugnis, bereits verabschiedete Gesetze für unwirksam zu erklären, die hat die Kommission nun wahrlich nicht.

Hätten Sie einzeln geprüft, dann hätten Sie auch nicht angekündigt, Vorschläge zurückzuziehen, die bereits zurückgezogen wurden. Sie hätten die Fehler vermutlich bemerkt.

Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Gegenstand meines Berichts betrifft das Zusammenwirken von Parlament und Kommission im Bereich der Rücknahme und Änderung von Gesetzgebungsvorschlägen durch die Kommission. Hierzu regelt der EG-Vertrag nur wenige Eckpunkte. Aber er lässt den beteiligten Organen Raum zur verantwortungsvollen Ausgestaltung dieses Zusammenwirkens. Ihnen obliegt es somit, diesen Bereich unter Wahrung des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts und unter Beachtung der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit Leben zu erfüllen und so das institutionelle Gefüge der Union zu verbessern. Mit meinem Bericht leistet das Parlament seinen Beitrag dazu. Mein Bericht wird vom Ausschuss einstimmig unterstützt, für die gute Zusammenarbeit mit den Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen möchte ich mich herzlich bedanken.

Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ihre Initiative, Herr Vizepräsident Verheugen, die Rechtsetzung in Europa deutlich zu verbessern und in diesem Zusammenhang 68 Gesetzesvorhaben zurückzuziehen, trifft zweifellos ins Schwarze. Die Europäische Union wird in der Öffentlichkeit unserer Mitgliedstaaten schon seit geraumer Zeit als viel zu bürokratisch und regelungswütig wahrgenommen. Von daher wurde es in der Tat höchste Zeit, sich dieser berechtigten Kritik zu stellen. Weniger, aber dafür qualitativ besser, das kann unter dem Strich letztendlich ein Mehr bedeuten, und das wäre sicher gut für Europa und seine Bürgerinnen und Bürger. Deshalb Herr Kommissar haben Sie mit diesem politischen Ansatz das Parlament als direkt gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger voll und ganz an Ihrer Seite. Und ich füge hinzu, nicht nur die Kommission, sondern auch das Parlament selbst ist hier gefordert.

In meinem Bericht, Herr Kommissar, geht es aber nicht um das Ob, sondern um das Wie. Es geht zum einen um die Frage, wie Kommission und Parlament als Institutionen zusammenarbeiten und zum anderen darum, ob die Kommission die Rolle des Parlaments als Gesetzgeber gebührend beachtet.

Wie Sie wissen, hat die Ankündigung der Kommission, laufende Gesetzesvorhaben zurückzuziehen bzw. zu ändern, nicht nur aus institutioneller Sicht in unserem Haus für einige Aufregung gesorgt. Die Ausschüsse des Parlaments haben die konkreten Einzelvorschläge einer genauen Prüfung unterzogen, und es gab daraufhin einen entsprechenden Briefwechsel zwischen den Präsidenten unserer Institutionen. Bei einigen Vorschlägen teilt das Parlament die Ansicht der Kommission nicht. Die Kommission ist jedoch bei ihrer Auffassung geblieben.

Herr Kommissar,

Parlament und Kommission haben fast genau vor einem Jahr eine Rahmenvereinbarung verabschiedet, die die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Institutionen auf eine erneuerte Grundlage gestellt hat. Der konstitutionelle Ausschuss hat daher nicht nur die vertragsrechtlichen Aspekte im Hinblick auf das von Ihnen angekündigte Paket zur Rücknahme bzw. Änderung von im Gesetzgebungsprozess befindlichen Legislativvorschlägen geprüft, sondern selbstverständlich auch die Rahmenvereinbarung, insbesondere die Punkte 31, 32 und 33.

Um es kurz und knapp zu sagen: Wir sehen über die Rahmenvereinbarung hinausgehenden Regelungsbedarf. Und von daher erwarten wir auch, dass sich die Kommission unseren Vorschlägen gegenüber nicht verschließt, sondern sich ihnen – im Geiste der loyalen Zusammenarbeit mit dem Parlament – anschließt.

Der gesamte Vorgang hat erstens gezeigt, dass die bisherige Vereinbarung, unser Haus vorab über die Absichten der Kommission zu informieren, so nicht ausreicht. Unsere Vorabinformation muss rechtzeitig erfolgen. Rechtzeitig heißt, dass das Parlament zur beabsichtigten Rücknahme von Vorschlägen nicht nur Stellung nehmen kann. Wir erwarten dabei natürlich vor allem, dass unsere Position bei der endgültigen Entscheidung der Kommission auch gebührend berücksichtigt wird. Sollte sich die Kommission aus gewichtigen Gründen anders als das Parlament entscheiden, dann gehen wir davon aus, dass dies uns gegenüber zumindest eingehend erläutert wird.

Deshalb müsste zweitens künftig auch ein anderes Vorgehen seitens der Kommission erfolgen, und zwar in Anlehnung an das auf nationaler Ebene praktizierte Diskontinuitätsprinzip. Jede neu eingesetzte Kommission sollte unmittelbar nach ihrem Amtsbeginn ein Verzeichnis der von ihrer Vorgänger-Kommission erstellten Legislativvorschläge vorlegen und darin zugleich aufzeigen, welche der schwebenden Legislativvorschläge sie beizubehalten gedenkt. Darüber hinaus sollte im jährlichen Legislativ- und Arbeitsprogramm ausgewiesen werden, welche der im Gesetzgebungsprozess befindlichen Legislativvorschläge zurückgezogen oder geändert werden sollen.

Drittens. Bei der jetzigen Entschlackungsinitiative wurde ein Paket vorgelegt. Ein Paket mit einer angefügten Liste von Legislativvorschlägen, das auch mit einer Paketbegründung versehen wurde. Einmal abgesehen davon, dass ich persönlich nicht nachvollziehen kann, weshalb das Kriterium der Wettbewerbfähigkeit zum Prinzip aller Prinzipien erklärt und quasi in den Adelsstand erhoben wird, will ich als Berichterstatterin des konstitutionellen Ausschusses unterstreichen, dass eine Paketbegründung genau das ist, was wir künftig nicht wollen.

Es war gerade das Begründungspaket, das diverse Irritationen hier im Hause nach sich zog. Es kann nicht Aufgabe des Parlaments sein, die Ideen der Kommission zu erforschen und die in der Paketbegründung formulierten Prinzipien jeweils den 68 betroffenen Vorschlägen zuzuordnen und vor allem überhaupt erst den Zusammenhang zwischen Begründung und Einzelvorschlag zu suchen. Aber genau dies ist Aufgabe der Kommission, wenn sie bestimmte Gesetzgebungsvorschläge zurücknehmen oder abändern will. Deshalb wollen wir, dass in Zukunft jeder einzelne Rücknahmevorschlag gesondert begründet wird.

Ein solches Vorgehen, Herr Kommissar, ist nicht nur für uns als Gesetzgeber wichtig. Meines Erachtens würde es auch der Kommission selbst gut tun. Denn hätten Sie die Vorschläge Stück für Stück einzeln begründet, dann, da bin ich mir sicher, ja dann hätten Sie sich auch nicht im Dickicht ihrer eigenen Behörde verheddert. Dann hätten Sie nämlich nicht angekündigt, den „Vorschlag“ für den „Beschluss des Rates zur Genehmigung des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft zum Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ zurückzuziehen, dann hätten sie bemerkt, dass er bereits beschlossen wurde; sie finden ihn im Amtsblatt L 30 aus dem Jahre 2005. Die Befugnis, bereits verabschiedete Gesetze für unwirksam zu erklären, die hat die Kommission nun wahrlich nicht.

Hätten Sie einzeln geprüft, dann hätten Sie auch nicht angekündigt, Vorschläge zurückzuziehen, die bereits zurückgezogen wurden. Sie hätten die Fehler vermutlich bemerkt.

Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Gegenstand meines Berichts betrifft das Zusammenwirken von Parlament und Kommission im Bereich der Rücknahme und Änderung von Gesetzgebungsvorschlägen durch die Kommission. Hierzu regelt der EG-Vertrag nur wenige Eckpunkte. Aber er lässt den beteiligten Organen Raum zur verantwortungsvollen Ausgestaltung dieses Zusammenwirkens. Ihnen obliegt es somit, diesen Bereich unter Wahrung des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts und unter Beachtung der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit Leben zu erfüllen und so das institutionelle Gefüge der Union zu verbessern. Mit meinem Bericht leistet das Parlament seinen Beitrag dazu. Mein Bericht wird vom Ausschuss einstimmig unterstützt, für die gute Zusammenarbeit mit den Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen möchte ich mich herzlich bedanken.