Verbesserte Sozialvorschriften für Berufskraftfahrer – Rede des Berichterstatters Helmuth Markov vor der Abstimmung seiner beiden Berichte zur Harmonisierung von Sozialvorschriften im Strassenverkehr

Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte mich zu allererst – nicht als reine Höflichkeitsfloskel, sondern aus tatsächlicher Dankbarkeit – bei meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern bedanken, insbesondere bei Herrn Ioannis Darmis, Herrn Joachim Hauck, aber auch bei den Schattenberichterstattern, die mich ja nun schon seit geraumer Zeit begleiten – bei der Erstellung der Stellungnahme des Parlamentes zur Ersten Lesung und jetzt auch in der Weiterführung nach dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates zur Zweiten Lesung.
Ich möchte mich auch bei der Kommission bedanken, selbst wenn wir uns manchmal bei bestimmten Punkten doch ziemlich weit auseinander bewegt haben, und auch beim Rat, obwohl ich mit dem Endergebnis, das bisher vorliegt – den unterschiedlichen Annäherungsstufen – nicht sonderlich zufrieden bin. Das werde ich nachher noch ausführlicher betrachten. Aber der konstruktive Versuch auch seitens der Ratspräsidentschaft war durchaus immer da.
Was sollten wir uns vergegenwärtigen? Wir haben – ich werde das der Einfachheit halber so benennen, denn die offiziellen Benennungen sind doch sehr verwirrend – die Ruhe- und Lenkzeitverordnung und die Kontrollrichtlinie. Welchen Sinn sollen diese überhaupt machen? Wozu brauchen wir sie? Wir leben in einer Zeit, in der der Güterverkehr zu einem erheblichen Maße – das mag man bedauern oder nicht, es ist jedenfalls Fakt – über die Straße abgewickelt wird. Wir leben in einer Zeit, in der die Sozialvorschriften eigentlich einem permanenten Abwärtstrend unterliegen, und wir leben auch in einer Zeit, in der die Kommission selbst einiges festgeschrieben hat. Wir haben uns ein Ziel gesetzt: Wir wollen die Anzahl der Unfalltoten bis zum Jahre 2010 halbieren, das heißt: Wir wollen die Straßenverkehrssicherheit als starkes Thema nach vorne bringen. Das heißt, dass diese beiden Richtlinien dazu dienen müssen, Straßenverkehrssicherheit, Sozialvorschriften und Wettbewerbsgleichheit in ein Equilibrium zu bringen. Was natürlich dann auch zwischen den Fraktionen durchaus unterschiedlich bewertet wird. Der eine hat seinen Hauptschwerpunkt da und der andere hat seinen Hauptschwerpunkt dort.
Die Abstimmungen im Ausschuss haben aber eindeutig gezeigt, dass es bei der Ruhe- und Lenkzeitverordnung – sie ist mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen worden, die Kontrollrichtlinie fast mit vier Fünftel – trotzdem einen breiten Konsens innerhalb der Verkehrspolitikerinnen und Verkehrspolitiker dieses Parlaments gab.
Natürlich waren während aller parlamentarischen Debatten auch die außerparlamentarischen Debatten anregend, teilweise auch sehr anstrengend, sehr divergierend, und es ist klar, dass es zwischen dem Europäischen Gewerkschaftsbund und dem Verband der Spediteure zwangsläufig auch unterschiedliche Auffassungen geben muss. Ich glaube, dass sich die Forderungen und Wünsche in vielen Punkten letztlich auf ein gemeinsames Ziel reduzieren ließen. Aufgrund der verschiedenartig starken Ausprägung, wo das Übergewicht liegt, gab es dann aber doch unterschiedliche Auffassungen.
Lassen Sie mich bei der Verordnung zu den Ruhe- und Lenkzeiten beginnen. Was ist jetzt schon erreicht, was ist positiv? Der Vorschlag der flexiblen Woche wurde abgelehnt. Wir haben die Kalenderwoche wieder eingeführt. Das ist Konsens. Wir haben natürlich auch Konsens, dass diese Verordnung dann auch in das ATR zu übertragen ist. Wir haben allerdings einen Dissens, wie wir das machen wollen, wie viel Druck wir da aufbauen müssen, denn das Parlament sagt eindeutig – und das halte ich auch für absolut notwendig –, dass diese Verordnung die Basis bilden muss und dass jeder, der auf den Straßen der Europäischen Union fährt, egal aus welchem Land er kommt, diese Verordnung einzuhalten hat, und das absolut kurzfristig. Dies dient der Sicherheit und vor allem auch der Wettbewerbsfairness.
Wir haben uns schon in Erster Lesung geeinigt und auch jetzt wieder, und ich hoffe natürlich, dass sich das übermorgen durch die Abstimmung dokumentieren wird. Wir haben eine Lenkzeit festgelegt, die immer noch erheblich ist, nämlich in zwei Wochen 90 Stunden, aber pro Woche nicht mehr als 56 Stunden. Damit haben wir die Flexibilität gewährleistet, die der Straßenverkehr auch braucht. Wir haben aber gleichzeitig auch dafür gesorgt, dass es, über zwei Wochen hinweg betrachtet, als eine akzeptable und sicherheitsrelevante Größe angesehen werden kann.
Wir haben als Parlament im Verhältnis zum Kommissionsvorschlag und auch zum Rat Definitionen eingeführt, die der Rat und die Kommission nicht selbst erstellt haben. Wenn wir also eine Ruhe- und Lenkzeitverordnung haben, dann muss man zumindest auch sagen, was Lenkzeit eigentlich ist. Insofern hat sich das Parlament große Mühe gegeben, Defizite nachzubearbeiten, die durchaus auch vom Gesetzeseinreicher behoben hätten werden können. Ich habe Verständnis dafür, dass man über Definition unterschiedlicher Auffassung sein kann. Das Parlament hat sich eindeutig geeinigt. Wenn jemand die vorgeschlagenen Definitionen nicht mag und sie ihm nicht gefallen, dann hat er die Chance, andere Definitionen vorzuschlagen. Das ist jedenfalls die parlamentarisch richtigere Variante als einfach den Vorschlag abzulehnen und gar keine haben zu wollen.
Wir haben bezüglich der Ruhezeiten eine Mehrheitsmeinung im Parlament. Wir wollen zwölf Stunden. Wir wollen allerdings durchaus – das sagen im Übrigen auch die Fahrer selbst; wenn man mit der Kraftfahrergewerkschaft redet, bestätigen sie das – etwas Flexibilität in der Einhaltung, in der Staffelung und in der Aufgliederung dieser Ruhezeiten. Das ist auch machbar. Es gab einen in meinen Augen guten Vorschlag des Rates zu den Pausenzeiten. Der ist im Ausschuss verändert worden; ich halte das Ergebnis aber auch für eine gangbare Variante. Da sieht man schon, dass man sehr wohl unterschiedliche Punkte unterschiedlich bewerten und trotzdem zu einem gemeinsamen vernünftigen Resultat kommen kann. Wir haben trotzdem noch einige Probleme, die gar nicht so einfach zu lösen sein werden. Diese möchte ich auch klar und deutlich benennen.
Das Parlament hat dankenswerterweise, richtigerweise – und auch sehr stark mehrheitlich unterstützt – die Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen in den Geltungsbereich dieser Richtlinie aufgenommen. Wir halten das für richtig, denn diese Richtlinie ist keine Richtlinie, die sich auf irgendwelche Gewichtskategorien von Fahrzeugen begrenzt, wie der Rat und die Kommission uns das teilweise erklären wollten, sondern sie hat eine Zielorientierung. Diesem Ziel müssen sich dann auch alle Fahrzeuge, die sich in diesem Gebiet bewegen, unterwerfen. Wir haben einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der besagt, dass wir eine Freistellung im Radius von 60 km gewähren, d.h. also durchaus, dass man sich ohne die Einführung des digitalen Tachographen in diesen Fahrzeugen innerhalb dieses Radius bewegen kann.
Ein großes Problem erscheint mir das Problem der Arbeitszeit. Gerade im Berufskraftfahrerwesen ist es sehr häufig so, dass die Berufskraftfahrer ihr Fahrzeug nicht nur auf der Straße lenken, sondern dass sie es beladen, dass sie es entladen, dass sie, wenn sie in ihre Firmen kommen, auch noch Speditionsarbeiten mit zu erledigen haben, und deswegen: Wer die Straßenverkehrssicherheit und den Sozialschutz oben anstellt, der muss einfach auch akzeptieren, dass diese Dinge mit kontrolliert werden.
Der Rat hatte ursprünglich – mit seiner Verordnung zum digitalen Tachographen ist er ja nicht rechtzeitig fertig geworden – diese left overs, wie ich das gerne bezeichne, in die Verordnung für die Ruhe- und Lenkzeiten mit aufgenommen. Manchmal passiert auch etwas zum Glück, denn ich glaube, der Rat ist sehr wohl daran interessiert, dass er das auch zum Abschluss bringt; insofern hat das Parlament eine gute Chance und auch eine starke Position. Bei der Kontrollrichtlinie hat der Rat leider in erster Lesung fast alles abgelehnt, was das Parlament vorgeschlagen hat. Das macht aber einfach keinen Sinn: Wir brauchen keine Verordnung über Ruhe- und Lenkzeiten, wenn wir kein Instrumentarium haben wollen, diese dann auch zu kontrollieren. Es muss einen Unterschied zwischen Straßenkontrollen und betrieblichen Kontrollen geben, weil die unterschiedlichen Stufen unterschiedlich zu kontrollieren sind. Aber bei den betrieblichen Kontrollen kann man auch die Einhaltung der Arbeitszeit kontrollieren. Man kann die Krankenblätter kontrollieren. Man kann die Urlaubsblätter kontrollieren. Man kann nachschauen, was die Kraftfahrer sonst noch während der Zeit gemacht haben.
All das macht weiterhin überhaupt keinen Sinn, wenn es keine gemeinsame Definition für schwere Verstöße gibt. Eine gemeinsame Definition von schweren Verstößen ist die Grundlage dafür, dass man hinterher die Sanktion auch analysieren kann, um irgendwann gleiche, harmonisierte Sanktionen innerhalb der Europäischen Union zu haben, denn es kann nicht sein, dass in einem Land etwas erlaubt ist, was im anderen verboten ist.
Insofern möchte ich den Rat – der nicht hier ist, aber es vielleicht nachliest – auffordern, sich zu bewegen. Wir wollen diese Verordnung und wir wollen diese Richtlinie. Aber es kann keine Verordnung und keine Richtlinie um jeden Preis geben. Das lässt das Parlament auch nicht mit sich machen Das soll auch als Botschaft klar und deutlich an den Rat gehen. Wenn der politische Wille da ist, werden wir uns einigen. Wenn der politische Wille nicht da ist, dann fehlt er nicht beim Parlament– da ist er vorhanden – sondern beim Rat.