Pflüger: „Beim Weltsozialforum wurde nicht nur gegen die Politik der USA protestiert und deren Politik kritisiert, sondern auch Ihre Politik, die Politik der EU-Kommission und die Politik des EU-Rates.“, Rede für die Linksfraktion (GUE/NGL) auf der Plen
Ich begrüße zuerst einmal diese Debatte, weil ich glaube, dass sie dringend notwendig ist. Allerdings habe ich sehr viel Wortgeklüngel gehört, insbesondere von Ihnen, Herr Barroso. Aber es liegt im Trend, Worte zu benutzen, die schön klingen, und dennoch die gleiche Politik zu machen wie bisher – das ist relativ typisch für das Weltwirtschaftsforum in Davos. Der bekannte Wissenschaftler Elmar Altvater hat das Weltwirtschaftsforum als das bezeichnet, als was ich es auch bezeichnen würde: eine große Showveranstaltung, bei der leider nicht sehr viel rauskommt.
Interessant ist aber, dass sich die Begriffe und die Themen dort geändert haben. Wir können so weit gehen, zu sagen: Die Kritiker bestimmen zunehmend auch die Agenda dieses Weltwirtschaftsforums. Diese Kritiker haben sich beim Weltsozialforum in Porto Alegre getroffen . 150.000 Menschen, die debattiert und gegen neoliberale und neoimperiale Politik protestiert haben.
Die Sozialforumsbewegung ist wesentlich, sowohl für die globalisierungskritische als auch für die Antikriegsbewegung. Es ist dort eine ganze Reihe von sehr konkreten Debatten geführt worden: Menschenrechte für alle, nicht nur für diejenigen in den westlichen Staaten, Verteidigung von Gemeingütern, gegen Sozialabbau, gegen Krieg, gegen Verschuldung . in diesem Zusammenhang: Wo ist endlich die Schuldenstreichung für die Staaten, die vom Tsunami betroffen sind? . und gegen Armut. Ökologische Fragen waren dort ebenfalls wesentlich auf der Tagesordnung. Ich habe zum Beispiel an einem Wasserforum teilgenommen.
Ich will eines klarstellen: Beim Weltsozialforum wurde nicht nur gegen die Politik der USA protestiert und deren Politik kritisiert, sondern auch Ihre Politik, die Politik der EU-Kommission und die Politik des EU-Rates. Das muss man sehr deutlich sagen. Dort verliert die Europäische Union immer mehr an Glaubwürdigkeit, weil sie inzwischen einen ähnlichen Weg wie die Vereinigten Staaten geht. Sie befindet sich quasi in den falschen Fußstapfen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Weltsozialforums haben eben nicht das Spiel gespielt, das wir hier vom EU-Rat, von der Kommission, aber auch von vielen Parlamentariern immer wieder erleben, nämlich mit dem Finger auf die USA zu zeigen und die eigene Politik schönzureden. Meine Frage ist: Ist so etwas wie die Bolkestein-Richtlinie ein Alternativangebot? Nein! Es ist ein neoliberales Konzept. Ist das, was wir im EU-Verfassungsvertrag lesen, die Festschreibung einer Aufrüstungsverpflichtung oder die offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, ein Alternativangebot? Nein!
Die EU ist ein globaler Akteur, haben Sie gesagt, Herr Barroso. Doch was für ein globaler Akteur? Das ist die zentrale Frage. Wir müssen klar sagen: Freihandel ist eben nicht das Rezept für eine angemessene Reaktion auf diese Politik, die wir derzeit haben. Was vielmehr passieren muss ist eine echte Entschuldung. Was passieren muss, ist, dass diese neoliberale, diese wirtschaftsliberale Politik beendet wird und dass das Ganze auch nicht von einer Militarisierung der Europäischen Union begleitet wird.
Ich will mit einem Zitat schließen, das dort verabschiedet wurde. Es heißt dort: Wir verlangen einen sofortigen Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und unterstützen alle Anstrengungen, sie nach Hause zu bringen. „Wir unterstützen Anstrengungen, die Soldaten, Kriegsdienstverweigerer und Familien von Militärs gegen den Krieg zu mobilisieren. Wir unterstützen Gegenrekrutierungskampagnen und verlangen politisches Asyl für Deserteure.“ Das ist eine klare Aussage.