Zur Zukunft des Textilsektors

Rede vor dem Plenum in Strasbourg

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich kann den allgemeinen Aufschrei, der auf den rasanten Anstieg der Textilimporte aus China seit dem 1. Januar 2005 folgte, nicht nachvollziehen. Uns allen war doch klar, dass genau das eintreten würde. Wer die Märkte unkonditioniert öffnet und liberalisiert, der muss einfach damit rechnen, dass andere Produzenten ihre Chance und ihre Vorteile nutzen und auf die sich eröffnenden Märkte drängen.

Und dies ist erst der Anfang. Die gleichen Probleme kommen in anderen Sektoren noch vermehrt auf uns zu: in der Schuhindustrie, der Fahrradproduktion, der Automobilindustrie, der Eisen- und Stahlherstellung. Auch die Galgenfrist besonderer Schutzklauseln noch bis 2008 wird das Problem nicht lösen, sondern nur für einige Zeit etwas abmildern. Es ist blauäugig, für den Handel mit China und anderen Ländern gleiche Wettbewerbsbedingungen zu fordern. Heißt das, ab 2008 soll ein Arbeitnehmer in der europäischen Textilindustrie das gleiche Gehalt wie sein chinesischer Kollege beziehen, um wettbewerbsfähig zu sein? Das ist doch absurd. Einen solchen Wettbewerb kann kein europäisches Land gewinnen.

Ebenso absurd wie skandalös ist es außerdem, dass die EU sich selbst das Wasser abgräbt, indem sie Unternehmen, die ihre Produktion in Drittländer verlagern, sogar noch mit Subventionen unterstützt!

Die einzige Chance, die die EU hat, um aus diesem Dilemma herauszukommen, ist eine Neuausrichtung ihrer Handelspolitik. Die EU muss ihre Position und ihr Ansehen in den internationalen Organisationen dazu nutzen, sich für einen gerechten internationalen Handel einzusetzen. Dazu gehört, mit der zügellosen Marktöffnungs- und Liberalisierungspolitik zu brechen. Ein fairer Interessensausgleich beinhaltet, Handel dort zu fördern, wo er sinnvoll und nicht nur Selbstzweck ist, und auf der anderen Seite den Fortbestand der ortsansässigen Produktion und regionaler Wirtschaftskreisläufe zu sichern und zu fördern – und zwar nicht nur in den eigenen Regionen, sondern auch in den Entwicklungsländern.

Dazu gehört auch, wie es meine Fraktion gefordert hat, dass sich die EU für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der sozialen Rechte der Arbeitnehmer und für hohe Umweltschutzstandards sowohl in der eigenen Industrie als auch in der Produktion ihrer Handelspartner einsetzt. Und dazu gehört, Entwicklungsunterschieden zwischen den verschiedenen Handelspartnern entsprechend Rechnung zu tragen.

Dazu ist es jedoch dringend notwendig, das Verhandlungsmandat der Kommission endlich neu zu formulieren. Das alte Mandat von 1999 ist ja nun mehrmals „ruhmreich“ gescheitert, und völlig zu Recht. Ich verstehe allerdings nicht, wieso die Kommission, wie im vorliegenden Bericht formuliert, ihr neues Mandat selbst konzipieren soll!

Ich unterstütze die Berichterstatterin in ihrer Forderung, Forschung und Innovation im Textilsektor gezielt zu fördern. In meinen Augen sollte hier der Schwerpunkt insbesondere auf der Entwicklung von gesundheitlich unbedenklichen, chemikalienfreien Textilien durch die konsequente Durchsetzung des Substitutionsprinzips liegen – ganz im Sinne von REACH. Und dazu gehört für mich auch Sorge zu tragen, dass die Verbraucher nicht zu Versuchsobjekten für Textilerzeugnisse aus der boomenden Nanotechnologie gemacht werden, ohne dass deren Wirkungen hinreichend erforscht sind.