Entwicklungsagenda von Doha – Rede vor dem Plenum in Strasbourg

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

das Mandat, welches der Kommission im Jahre 1999 erteilt worden ist, hat sich sowohl bei den Verhandlungen in Seattle, als auch in Cancún als nicht durchsetzbar erwiesen, und ich glaube, dass dies auch zu Recht geschehen ist. Die Schlussfolgerung daraus hätte also sein müssen, der Kommission ein verändertes Mandat auszustellen, was nicht auf mehr Liberalisierung und Marktöffnung setzt, sondern auf die Organisation eines tatsächlich fairen Handels zwischen den unterschiedlichst entwickelten Ländern dieser Erde.

Fairer Handel bedeutet, ein System einzuführen, in dem alle Teilhabenden tatsächlich Entwicklungschancen sehen und nutzen können. Dies mag für bestimmte Länder den Schutz ihrer Märkte bedeuten, bis sich die regionale Wirtschaft so weit gestärkt hat, dass sie auch gegen ausländische Konkurrenz bestehen kann, und in anderen Regionen kann dies eine Marktöffnung bedeuten, um auch anderen Anbietern Exportmöglichkeiten zu schaffen. Dies hieße aber, den permanent ausgeübten Druck in Richtung mehr Marktöffnung abzubauen, statt noch mehr aufzusatteln. Abkommen wie GATS oder NAMA nehmen Entwicklungsländern von vornherein jede Chance, eigenständige Industrie- und Dienstleistungsstrukturen aufzubauen und dabei hohe Umwelt- und Sozialstandards zu entwickeln. Was Marktöffnung anderseits auch für die Industrieländer bedeutet, sehen wir jetzt an der Debatte um die Textilimporte.

Wenn wir über die Entwicklungsagenda von Doha reden, dann sagt der Begriff schon, dass es um Entwicklung gehen muss. Und die kann nicht ausschließlich in Marktöffnung bestehen. Fragen wie Gesundheitsversorgung und Bildung, Sozialschutz und umweltfreundliche Produktion gehören unbedingt dazu. Dies ist uns wichtiger als die Singapur-Themen, selbst wenn es so scheint, als hätte man sie von vier auf zwei reduziert. Es geht um die Schaffung von Handelssystemen, die es ermöglichen, stabile Preise für Kaffee, Kakao, Textilien, Bananen, Baumwolle, Zucker zu erzielen. Die richtigere Herangehensweise ist meines Erachtens nicht ein Mehr an Wettbewerb, sondern mehr Kooperation.

Die Exportsubventionen für die großen Konzerne müssen gestrichen werden. Bestimmte Versuche der Liberalisierung von öffentlichen Diensten, insbesondere Wasser, darf es nicht geben. Neben der WTO müssen auch die entsprechenden UN-Institutionen ein stärkeres Gewicht bekommen, wenn es um Entwicklung geht, wie z.B. die UNCTAD oder die ILO.

Die Europäische Union muss eine andere Antwort auf die Forderung der Entwicklungsländer zur Durchsetzung des Mode 4 geben, als sie es bisher getan hat. Es hat nichts mit Gleichberechtigung zu tun, von den Entwicklungsländern zu fordern, sie sollen ihre Märkte für Waren, Dienstleistungen und Kapital öffnen, wenn die EU gleichzeitig ihre Märkte der Arbeitnehmerfreizügigkeit, und insbesondere für weniger qualifizierte Arbeitskräfte schließt.

Wer Welthandel will, muss vorher für eine ausbalancierte Entwicklung sorgen. Sonst befördert Handel nicht Fortschritt, sondern vergrößert die Diskrepanzen zwischen Arm und Reich.