Grundrechtsbilanz 2003 der EU im Bereich Asyl und Flucht ist schlecht

Rede auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments in Straßburg, 31. März 2004

Zum Bericht Boumediene-Thiery über die Lage der Grundrechte
in der Europäischen Union 2003 (2003/2006(INI))

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der vorliegende Bericht zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union enthält Verweise auf zahlreiche Missstände in den verschiedenen Bereichen. Aus aktuellem Anlass – nämlich der Tagung der Justizminister und Innenminister und deren Botschaften – möchte ich mich auf den Bereich des Flüchtlingsschutzes Artikel 18 (Asylrecht) und Artikel 19 (Schutz vor Abschiebung, Ausweisung, Auslieferung) der EU-Grundrechtecharta beschränken.

Der Bericht, zu dem ich der Berichterstatterin gratuliere, klagt die Mitgliedstaaten an, dass sie sich bisher nicht auf die Annahme einer Richtlinie über die Asylverfahren und die Stellung der Flüchtlinge einigen konnten. Inzwischen haben sich die Innenminister geeinigt – gerade in dieser Woche. Es ist gut, dass mit der neuen Richtlinie auch Menschen, die vor nicht-staatlicher Verfolgung aus ihrer Heimat fliehen, einen anerkannten Status in allen EU-Staaten bekommen. Dafür habe ich mich, haben sich viele Nichtregierungsorganisationen und Bürgerinnen und Bürger engagiert.

Aber: Anders als politisch Verfolgte werden diese Flüchtlinge – leider auf Betreiben der Regierung meines Landes – beim Zugang zum Arbeitsmarkt benachteiligt. Dafür gibt es keinen objektiven Grund, und ich denke, es ist auch wirtschaftlich kontraproduktiv, weil Flüchtlinge mit so genanntem subsidiären Schutz in die Schwarzarbeit getrieben werden, um ihre Existenz zu sichern.

Wer die Grund- und Menschenrechte nach Außen so hoch hält, muss sich auch an die eigene Nase fassen und nicht immer nur auf mögliche Verbesserungen im Hause des Nachbarn verweisen. Ich begrüße es, Herr Ratspräsident, dass Sie dies genauso sehen.

Die eigene Bilanz im Bereich Asyl und Migration ist, dies zeigt der Bericht ganz deutlich, für Europa wirklich beschämend. Ich möchte insbesondere darauf verweisen, dass Menschen aus Drittstaaten, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, weiterhin kein Wahlrecht gewährt werden soll. Dies, obwohl es vom Europäischen Parlament wiederholt eingefordert wurde. Und ich will auch das Konzept des „Sicheren Drittstaats“ ansprechen. Dieses Konzept verhindert, dass sich Flüchtlinge der Europäischen Union in Zukunft überhaupt legal nähern können. Im Grunde ist es doch so, dass man, um hierher zu gelangen, nur noch mit dem Fallschirm über Europa abspringen kann. Dieses Konzept eines abgeschotteten Europas, das immer mehr Menschen in die Illegalität zwingt, ist jetzt schon gescheitert. Wie gravierend die diesbezügliche Bilanz für den Grundrechtsschutz in Europa ist, lässt sich nicht zuletzt an nahezu täglichen Zeitungsmeldungen über den Tod von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen ablesen.

Meine Damen und Herren,

Europa braucht hier dringend einen Kurswechesel. Wir können doch nicht wollen, dass der Bericht über Grundrechtsverletzungen in der EU im nächsten Jahr noch umfangreicher wird.