Das Recht auf Datenschutz muss für alle gelten Rede auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments, Straßburg, 31. März 2004

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

dem zur Abstimmung vorgelegten Bericht des Innenausschusses (A5-0211/2004), der die Initiative der scheidenden spanischen Regierung zurückweist, sollte unser Haus seine Zustimmung nicht verweigern. Schließlich hat unser Haus heute mittag bereits zwei wichtige Entscheidungen getroffen. Wir haben, und zwar mit gutem Grund, wie bereits der Weitergabe von Flugpassagierdaten an die amerikanischen Grenz- und Sicherheitsbehörden eine klare Absage erteilt. Und: auch die Kollektivabschiebung durch „europäische Sammelflüge“ wurde heute zurückgewiesen.

Warum, so frage ich, sollte eine datenschutzrechtlich höchst bedenkliche Maßnahme plötzlich unproblematisch sein, sobald sie „nur“ die Europäische Union betrifft? Oder sollen bei der Bekämpfung der sogenannten „illegalen Einwanderung“ alle Mittel recht sein und Grundrechte nichts mehr zählen?

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein hohes Gut, mit dem wir nicht leichtfertig umgehen dürfen. Es ergibt sich nicht nur aus den nationalen Verfassungen der Mitgliedstaaten ebenso klar und eindeutig, wie es in Artikel 8 der EU-Grundrechtecharta festgeschrieben ist. Auch die EG-Datenschutzrichtlinie legt bewusst hohe Maßstäbe an die Weitergabe personenbezogener Daten an. Die „spanische Initiative“ hingegen erhebt – leider unterstützt das auch Kollege Schmitt als Berichterstatter – die Bekämpfung der „illegalen Einwanderung“ mittels rigider Überwachungsmaßnahmen zum obersten Ziel. „Illegale Einwanderung“, das zeigen alle Erfahrungen und muss deutlich gesagt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, bekämpft man nicht durch polizeiliche Repression, sondern einzig und allein durch die Schaffung friedlicher und menschenwürdiger Verhältnisse in anderen Teilen Europas und der Welt!

Die Absicht, Passagierdaten von Flugunternehmen sammeln und weitergeben zu lassen, ist in verschiedener Hinsicht äußerst problematisch. Nicht nur würden hiermit privaten Unternehmen Hoheitsrechte eingeräumt, die bislang nur staatlichen Stellen in den Mitgliedsländern vorbehalten sind, etwa bei Gefahr im Verzug oder in anderweitigen, besonders zu begründenden Fällen. Ich finde, das darf es in Europa nicht geben, nämlich das Reiseverhalten von Millionen von Menschen auszuspähen.
Was passiert, wenn diese Daten missbräuchlich verwendet werden? Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte man sich lieber nicht vorstellen!

Die Behauptung, es ginge hier um die Bekämpfung „illegaler Einwanderung“, ist zudem nicht glaubwürdig: So ist es schlicht absurd, anzunehmen, dass die Armen der Ärmsten, die zu uns kommen, mehrheitlich das teure Flugzeug benutzen. Die Realität sieht anders aus. Die hohe Zahl der Menschen, die tagtäglich beim Versuch, das Mittelmeer oder die Grenzflüsse zu überqueren, ertrinken, spricht eine ganz andere Sprache.

Wichtig ist vor allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, endlich der überbordenden Datensammelwut der Behörden einen Riegel vorzuschieben und sich nicht auf einen Weg zu begeben, der in der USA von allen Bürgerrechtsorganisationen zu Recht kritisiert wird. Europa braucht keine lückenlose Überwachung seiner Reisenden und seiner Grenzen. Europa braucht vielmehr einen wirksamen Schutz der Grundrechte aller Menschen, die sich hier aufhalten.