Mindestbedingungen für Kontrollen von Sozialvorschriften im Straßenverkehr

Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Schaffung des europäischen Binnenmarktes und die Liberalisierung des Straßenverkehrs in der EU haben zu einem enormen Wachstum des innergemeinschaftlichen Handels und zu einer deutlichen Steigerung des Verkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geführt. Mit dem Beitritt der neuen EU-Mitgliedsländer am 1.5.2004 wird sich diese Entwicklung wesentlich verstärken.
Im Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ hat die Europäische Kommission festgestellt, dass die Einhaltung der Vorschriften in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und die Ruhe- und Lenkzeiten im Straßengüterverkehr nur mangelhaft geschieht. Des weiteren hat die Europäische Kommission in ihren Zweijahresberichten zur Umsetzung der Verordnung 3820/85 einen stetigen Anstieg der Zahl der Verstöße feststellt.

Die Gewährleistung einer strikten Anwendung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr berührt nicht nur sozial- und wettbewerbspolitische Belange, sondern ist von entscheidender Bedeutung für die Straßenverkehrssicherheit. Davon zeugt die große Zahl von Unfällen mit Bussen und Lkws, die vorrangig auf die Nichteinhaltung dieser Vorschriften zurückzuführen ist.

Der Vorschlag der Kommission sollte dazu dienen, eine Modernisierung der Durchsetzungsmaßnahmen, eine qualitative Verbesserung der Überprüfungsmethoden und einen quantitativen Ausbau der Kontrollmaßnahmen durchzusetzen, um die Einhaltung der Bestimmungen zur Anwendung der Sozialvorschriften zu gewährleisten.
Mit der bereits beschlossenen Einführung des digitalen Tachographen wird die notwendige technische Voraussetzung für eine verbesserte Kontrolle geschaffen.

Der Kommissionsvorschlag geht von der Anwendung des digitalen Tachographen aus und ist grundsätzlich zu begrüßen. Schon bei früheren Debatten waren wir uns immer einig, dass eine Richtlinie oder Verordnung nur Sinn macht, wenn auch deren Einhaltung kontrolliert werden.

Welches sind nun die wichtigsten Veränderungen, die die Kommission und der Verkehrsausschuss im Verhältnis zu den derzeit gültigen Regelungen vorschlagen?

Positiv möchte ich bewerten, dass die vorgeschlagene Richtlinie nicht nur für angestellte, sondern auch für selbständige Fahrer gelten soll. Außerdem wird durch die Richtlinie die besondere Kontrolle von Kleinstunternehmen auf Betriebsgeländen eingeführt. Der Umfang der durchzuführenden Kontrollen auf dem Betriebsgelände wurde erheblich erweitert und beispielsweise auf die wöchentlichen Lenkzeiten, die summierten Lenkzeiten während zwei aufeinander folgender Wochen, die wöchentlichen Ruhezeiten sowie die Ausgleichszeiten ausgedehnt. Dies erhöht sowohl den Sozialstandard, als auch die Verkehrssicherheit in entscheidendem Maße.

Die Kommission hat in ihrem Vorschlag nicht berücksichtigt, was das Parlament in erster Lesung zur Durchsetzung der Ruhe- und Lenkzeiten für Berufskraftfahrer eingebracht hat. Der Verkehrsausschuss war sich jedoch einig, die Vorschläge des Parlaments aus der ersten Lesung in den hier vorliegenden Vorschlag wieder aufzunehmen: insbesondere die Definition des Fahrers, den Geltungsbereich der Richtlinie und den Gegenstand der Kontrollen.
Ich bin mir sehr wohl der Schwierigkeiten bewusst, die eine Verzögerung der Einführung des digitalen Tachographen mit sich bringt. Leider gibt es bis heute keine verbindlichen Zusagen seitens der Industrie, dass zum geplanten Termin Geräte in ausreichendem Umfang vorhanden sein werden. Insofern halte ich die Lösung des Ausschusses für akzeptabel, statt die Kontrollen von ursprünglich 3%, nur auf 2% zu erhöhen – wie bereits in meinem Bericht zur Überarbeitung der Verordnung 3820/85 festgelegt- allerdings in Verbindung mit der Option einer weiteren Erhöhung der Kontrollen mit der Einführung des digitalen Tachographen.

Ich bedauere sehr, dass eine knappe Mehrheit des Ausschusses, der von mir vorgeschlagenen Herabsetzung der Schwellenwerte für die Einstufung als „schwere Verstöße“ nicht folgten. Zwar haben die Kolleginnen und Kollegen zugestimmt, die zulässige Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 20% auf 10% abzusenken. Um so unverständlicher ist mir aber, dass sie bei den Überschreitungen der Höchstlenkzeiten und Mindestruhezeiten sowie der Unterschreitung der Mindestunterbrechung der prozentualen Absenkung nicht gefolgt sind. Es ist daher zu befürchten, dass damit die Fahrer und die Unternehmen regelrecht eingeladen werden, die gesetzlichen Standards nicht zu befolgen. Aus diesem Grunde haben wir die entsprechenden Änderungsanträge noch einmal eingebracht, und ich bitte Sie sehr herzlich, diesen Änderungsanträgen zu einer Mehrheit zu verhelfen. Damit würden mehr Sicherheit auf den Strassen der Gemeinschaft und höhere Sozialstandards im Kraftverkehr gewährleistet werden.

Abschließend möchte ich die gute Zusammenarbeit mit der verantwortlichen Berichterstatterin des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Frau Schrödter, im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gemäß Art. 260A hervorheben. Herzlich bedanke ich mich bei den zuständigen Mitarbeitern der Kommission und des Sekretariats des Verkehrsauschusses für ihre sehr effektive und hilfreiche Unterstützung. Dieser Dank gilt auch den Vertretern der verschiedensten Organisationen der Gewerkschaften, Unternehmensverbänden sowie den mit der Überwachung der Einhaltung der Sozialvorschriften beauftragten Polizeibehörden und ihre wertvollen Hinweise zur praktischen Umsetzung der Richtlinie.