Redebeitrag auf der 22. Plenarsitzung des Konvents: Konvent muss Mut beweisen – Weichen stellen für eine zukunftsfähige und friedliche Union

Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann MdEP
Mitglied des Europäischen Konvents
Rede auf der Plenartagung des Konvents, Brüssel, 05. Juni 2003

Herr Präsident,

der zweite Entwurf des Teils I geht aus meiner Sicht insgesamt in die richtige Richtung. Doch wir brauchen noch deutlich mehr Mut und Ehrgeiz, um den Bürgerinnen und Bürgern eine Verfassung vorlegen zu können, die auch ihre Zustimmung finden wird.

Deshalb lassen Sie mich in der Kürze der Zeit einige Fragen stichpunktartig benennen:

1. In Artikel 2 (Werte) sollte der Begriff der Gleichheit in den ersten Teilsatz aufgenommen werden. Außerdem sollte dort nicht nur von der „Achtung“ der Menschenrechte, sondern von der „Unantastbarkeit“ der Menschenrechte die Rede sein.

2. Bei den Zielen der Union (Artikel 3,3) schlage ich vor, die Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzes, die Verbesserung des Verbraucherschutzes und die Förderung des Tierschutzes aufzunehmen. In Artikel 3,4 sollte die unmissverständliche Aussage angefügt werden, dass die Union Angriffskriege ächtet.

3. In Artikel 4 (Grundfreiheiten und Nichtdiskriminierung) reicht ein Verweis auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht aus. Hier sollten wir ein allgemeines Diskriminierungsverbot aufnehmen und dies dann auch in Teil III so untersetzen, dass im Gesetzgebungsverfahren aktive Maßnahmen ergriffen werden können.

4. Hinsichtlich Artikel 8,1 möchte ich noch einmal auf die Bitte des Europarates an den Konvent (Punkt 14 der Resolution 1314) hinweisen, die Unionsbürgerschaft auch Menschen zu gewähren, die sich seit 5 Jahren rechtmäßig im Gebiet der Europäischen Union aufhalten.

5. Bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Artikel 39) bin ich für die qualifizierte Mehrheit, denn ohne dieses Entscheidungsverfahren würde der von uns neu geschaffene Außenminister schlicht handlungsunfähig sein.

6. In Artikel 40 (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik) sollte die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten gestrichen werden, ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern.

7. Bei Artikel 42 (Beistandsklausel) schlage ich in Anlehnung an den Vorschlag der Konventskollegen Fischer, de Villepin und Hain vor, präzise zu formulieren, worum es konkret geht.

8. Bei Artikel 45 (Grundsatz der repräsentativen Demokratie) bin ich dafür, dort für die Bürgerinnen und Bürger das Recht zu verankern, sich am demokratischen Leben durch europäische Volksbegehren und durch Volksabstimmungen zu beteiligen.

Abschließend, Herr Präsident, möchte ich die Präambel ansprechen. Ich habe Ihnen heute einen Vorschlag übergeben, in der Präambel auf die Ursprünge der europäischen Bewegung, unser gemeinsames antifaschistisches Erbe, einzugehen. Unser Kontinent wurde immer wieder durch zahlreiche Kriege verwüstet, hat den Menschen viel Leid gebracht. Die Botschaft, dass wir aus dieser Erfahrung heraus ein geeintes Europa wollen, in dem Krieg ein für alle mal der Vergangenheit angehört, sollte sich in der Präambel wiederfinden.