Erst Änderung der türkischen Politik wird EU-Beitritt möglich machen
Rede in der Aussprache des Europaparlaments zum Oostlander-Bericht zur Türkei am 04. Juni 2003
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich begrüße das Bemühen des Oostlander-Berichts, den Entwicklungen in der Türkei gerecht zu werden. Nach der Vielzahl von Änderungsanträgen hat der Bericht deutlich gewonnen. Die Problemfelder werden nun konkreter benannt, und die Kritik ist zumeist in einer sachlicheren Sprache als vorher formuliert.
Dennoch gibt es immer noch eine nicht zu übersehende Schieflage. So ist es schon verwunderlich, dass zwar lang und breit über religiöse Minderheiten geredet wird, die Belange der kurdischen Bevölkerung hingegen – immerhin 20 Millionen – vergleichsweise kurz abgehandelt werden. Und angesichts der vielfältigen Schikanierungen und Bedrohungen ist es eine unerträgliche Verniedlichung, wenn die türkische Regierung aufgefordert wird, ein „entspannteres und konstruktiveres Verhältnis zu den eigenen Bürgern kurdischer Herkunft“ herzustellen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich begrüße das Bemühen des Oostlander-Berichts, den Entwicklungen in der Türkei gerecht zu werden. Nach der Vielzahl von Änderungsanträgen hat der Bericht deutlich gewonnen. Die Problemfelder werden nun konkreter benannt, und die Kritik ist zumeist in einer sachlicheren Sprache als vorher formuliert.
Dennoch gibt es immer noch eine nicht zu übersehende Schieflage. So ist es schon verwunderlich, dass zwar lang und breit über religiöse Minderheiten geredet wird, die Belange der kurdischen Bevölkerung hingegen – immerhin 20 Millionen – vergleichsweise kurz abgehandelt werden. Und angesichts der vielfältigen Schikanierungen und Bedrohungen ist es eine unerträgliche Verniedlichung, wenn die türkische Regierung aufgefordert wird, ein „entspannteres und konstruktiveres Verhältnis zu den eigenen Bürgern kurdischer Herkunft“ herzustellen.
Meine Damen und Herren, hier hätte ich mir schon klarere Worte der Kritik gewünscht! Schließlich ist die Reihe der Probleme vielfältig:
So wird die prekäre Situation des Menschenrechtsvereins IHD gar nicht erwähnt. Erst kürzlich wurde er durchsucht; Drohungen sind an der Tagesordnung. Ein Verweis auf die schwierige Lage der Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler in der Türkei wäre angebracht gewesen.
Auch die Kritik im Fall Leyla Zanas und der anderen Abgeordneten der DEP hätte deutlicher ausfallen können. Nach nunmehr drei Verhandlungstagen sind sie immer noch in Haft. Die Verhandlung gleicht einer Farce, und es ist bei weitem nicht abzusehen, ob das Gericht ihre menschenrechtswidrige Verurteilung aufheben und sie freilassen wird.
Überhaupt keine Erwähnung im Bericht findet der Fall Öcalan. Dabei ist auch sein Verfahren vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof als unfair eingestuft worden; eine Neuaufnahme wäre also auch hier geboten. Aber offensichtlich ist es zu heikel, in einem Bericht des Europa-Parlaments auch nur den Namen Öcalan zu erwähnen.
Im Bericht zu Recht verurteilt wird das Verbot der HADEP und das drohende Verbotsverfahren gegen den DEHAP. Keine Erwähnung findet jedoch das gleichfalls gegen führende HADEP-Mitglieder verhängte Verbot des Ausübens einer politischen Tätigkeit. Warum nicht? Hier hätte man deutlich Stellung beziehen müssen!
Hingegen hätte es dem Bericht an anderer Stelle gut getan, weniger überheblich zu sein. Ich finde es unsäglich, dass in diesem Bericht immer noch die humanistische und christlich-jüdische Kultur Europas angeführt und so getan wird, als ob Europa von jeher ein Hort von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Minderheitenrechten, Religions- und Gewissensfreiheit wäre. Gönnerhaft wird hinzugefügt, dass auch ein islamisches Land in der Lage sei, diese Werte zu akzeptieren und verteidigen. Mal ganz davon abgesehen, dass der Islam auch in Europa immer eine Rolle gespielt hat, möchte ich, gerade als Deutsche, daran erinnern, dass die angeblich so typisch europäischen Werte in Europa nicht ganz so verwurzelt sind: Von den christlichen Kreuzzügen bis zu den Verbrechen der Kolonialzeit reicht die Palette der europäischen Geschichte – ganz zu schweigen vom Grauen des Faschismus.
Darüber hinaus ist der Rückbezug auf Religion völlig überflüssig: Die EU ist eine politische und wirtschaftliche Union. Für einen Beitritt gibt es klare Kriterien, die zu erfüllen sind. Ob dies vor christlichem, islamischem, jüdischem oder atheistischem Hintergrund erfolgt, ist unerheblich. Hauptsache, es geschieht.
Dies ist zur Zeit in der Türkei leider nicht der Fall. Der Bericht zeigt dies trotz aller Unzulänglichkeiten deutlich auf und macht klar, dass zur Zeit die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht in Frage kommt. Es ist jedoch das Verdienst des Berichts, ebenfalls klar auszudrücken, dass es eine generelle Beitrittsmöglichkeit für die Türkei gibt. Es bleibt zu hoffen, dass der Bericht dazu beiträgt, die Politik der türkischen Regierung so zu verändern, dass ein Beitritt zur EU erfolgen kann.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.