Zur aktuellen Situation in Tschetschenien
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich sehe in der Volksabstimmung vom 23. März einen ersten Schritt hin zur Stabilisierung der Situation in Tschetschenien. Ich begrüße die Bemühungen der Administration, das Leben erträglicher zu gestalten: der Schulbetrieb wird allmählich wieder aufgenommen, Energieversorgung, öffentlicher Transport und medizinische Versorgung funktionieren zumindest in Grosny teilweise, was aber bei weitem noch nicht ausreicht. Der Wiederaufbau ist von der russischen Seite forciert anzugehen.
Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass die Wahlen im Dezember 2003 und im März 2004 eine politische Stabilisierung in Tschetschenien bringen werden. Die EU sollte bereit sein, die notwendige Unterstützung zur Durchführung von freien und fairen Wahlen zu leisten. Ich halte es für problematisch, dass internationalen Organisationen noch kein freier Zugang nach Tschetschenien gewährt wird, um die dringend benötigte humanitäre und medizinische Hilfe zu leisten.
Die Lage der Flüchtlinge ist nach wie vor prekär. Die humanitäre Hilfe darf nicht gekürzt werden, ebenso dürfen Flüchtlinge nicht gegen ihren Willen zurückgeführt werden, solange die Bedingungen dafür nicht gegeben sind.
Ich halte es für problematisch, dass der Rat und die Kommission nach dem 11.September die Auseinandersetzungen um das Vorgehen der russischen Armee in Tschetschenien, unter dem in erster Linie die Zivilbevölkerung massiv gelitten hat, de facto eingestellt haben. Anerkanntermaßen ist terroristische Gewalt in Tschetschenien ein gravierendes Problem, dem mit anderen Mitteln begegnet werden muss. Die unproportionale Anwendung militärischer Gewalt und Willkür der Armee und anderer staatlicher Institutionen sind nicht adäquat. Sie führen zur weiteren Eskalation des Konflikts. Will die EU einen Beitrag zur Konfliktlösung leisten, muss sie auf weitere Veränderungen in der russischen Tschetschenien-Politik drängen.