Statt fauler Kompromisse: Mut zur Änderung des Stabilitätspaktes!

Rede des PDS-Europaabgeordneten Helmuth Markov zur Erklärung des Rates und der Kommission zum Stabilitäts- und Wachstumspakt am 3. Dezember 2003 in Brüssel

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

bereits am 21. Oktober 2002 haben wir in Straßburg über den Stabilitäts- und Wachstumspakt debattiert. Meine Fraktion hat bereits damals deutlich gemacht, dass einer Begrenzung der staatlichen Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte nicht zu widersprechen ist, wenn dies mit der Notwendigkeit gekoppelt wird, Wachstum zu produzieren und Nachfrage zu stärken. Eine Steigerung der Nachfrage ist nicht durch Absenken der Löhne oder Verlängerung der Arbeitszeit zu erreichen, sondern durch Verringerung der Arbeitslosigkeit, steuerliche Entlastung der unteren Einkommensgruppen, Investitionen aus der öffentlichen Hand, durch Erweiterungsinvestitionen von Unternehmen und durch privaten Konsum.

Das Ergebnis des Treffens der Euro-Finanzminister, das Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich einzufrieren und diesen Staaten bis 2005 einen Aufschub zum Erreichen der 3%-Grenze bei der jährlichen Neuverschuldung zu geben, ist ein fauler Kompromiss, dem die Kommission zugestimmt hat. Dieser Kompromiss verändert nicht das falsche Grundkonstrukt, das darin besteht, dass in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten das strikte Festhalten an der 3%-Grenze prozyklisch und nicht antizyklisch wirkt.

Eine Reformierung des Stabilitätspaktes muss mit einer verstärkten europäischen Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs-, Steuer- und Umweltpolitik einhergehen, um generell Investitionen zu beleben. Es muss möglich sein, kreditfinanzierte öffentliche Investitionen zu tätigen, selbst wenn damit die Defizitquote auf über 3% ansteigt. Dies ist meines Erachtens der richtige Schritt, da wir ansonsten die Glaubwürdigkeit in eine zuverlässige Stabilitätspolitik verlieren und jedes Jahr wieder vor den selben Problemen stehen werden, wobei sich möglicherweise die Anzahl der betroffenen Länder auch noch erhöhen wird. Fehler muss man korrigieren und nicht versuchen, sie durch neue zu kaschieren.