EU versucht Spagat mit ungewissem Ausgang

Christel Fiebiger

Redebeitrag in der Sitzung des Europäischen Parlaments am 10. Februar 2003 zum Tagesordnungspunkt „Erklärung der Kommission – WTO-Verhandlungen im Bereich des Agrarhandels“

Die Kommission hat am 27. Januar erklärt, dass der EU-Vorschlag zu den WTO-Verhandlungen im Einklang mit dem bestehenden Eintreten für eine substantielle und schrittweise Liberalisierung auf fairer und ausgewogener Grundlage steht. Weiter wird klar formuliert: „Die konkreten Maßnahmen beinhalten eine gerechte Verteilung der Lasten für die Landwirtschaft, und auch den Entwicklungsländern sollen größere Chancen eingeräumt werden“.

Das ist folgerichtig, denn seit der Reform der GAP von 1992 schreitet die Liberalisierung auch in der EU in Umsetzung der GATT-Beschlüsse ständig voran. Der Dampfer WTO ist in voller Fahrt. Die Unternehmen in der Landwirtschaft und in der Ernährungswirtschaft schwimmen mal besser, mal schlechter nebenher, denn von jedem Euro, den die Verbraucher für Lebensmittel ausgeben, erhalten die Landwirte im Durchschnitt nur 25 Cent.

Die Liberalisierung des Agrarhandels hat Befürworter und Gegner. Einigkeit besteht darin, den Entwicklungsländern den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu erleichtern. Aber trotz oder gerade wegen der Liberalisierung wurde der Hunger in der Welt nicht entschieden gelindert, sondern er hat sich verstärkt. Die Entschließungsanträge weisen auf diese Situation hin.

Unklarheit besteht darin, wie der Spagat zwischen dem Erhalt und dem Ausbau der Wettbewerbsposition der europäischen Agrarwirtschaft auf den Weltmärkten und dem Schutz der nicht ausreichend konkurrenzfähigen Landwirtschaft beim Ausbau ihrer Multifunktionalität für die Gesellschaft als ein dauerhaftes Regelwerk in den nichthandelsbezogenen Anliegen europaweit gesichert werden kann. Es ist für mich völlig offen, ob es gelingt, das europäische Agrarmodell der Multifunktionalität mit der Subventionspolitik international legitim umzusetzen.

Es besteht schon die große Gefahr, dass dieses Schutzschild nicht lange halten wird und der Ausstieg aus der europäischen Agrarsubventionspolitik damit vollkommen beginnt, weil es einerseits noch keine politischen Mehrheiten gibt, und sollte es diese geben, sind es Kompromisse. Andererseits zählen auch die Fragen der ländlichen Entwicklung, der Umwelt- und Tierschutz nicht zu den Kernkategorien der WTO. Was für die Erweiterung zählt, muss auch für die WTO-Verhandlungen zählen. Der Grundsatz: Niemandem soll es schlechter ergehen. So gesehen wird vor den Verhandlungen auch nach den Verhandlungen sein. Auf das Ergebnis kann man gespannt sein!