Mindestanforderungen für die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz

Rede zum Bericht Rack vor dem Plenum in Brüssel am 9. Oktober 2003

Herr Präsident,
Verehrte Kollegen,

Nach den verschiedensten schweren Unfällen in Tunneln im Straßennetz der EU kommt die Europäische Kommission mit ihrem Vorschlag über Mindestanforderungen an die Sicherheit vom Dezember 2002 den Forderungen der Verkehrspolitiker dieses Hauses wie auch aus den Mitgliedsstaaten nach einheitlichen Sicherheitsregeln der EU für Tunnel nach.
Trotz zahlreicher Änderungsanträge des Ausschusses, die vor allem technische Fragen bzw. zu detaillierte Festlegungen betrafen, hat die Mehrheit der Kollegen den grundlegenden Ansatz der Kommission und die Strategie zur Umsetzung unterstützt. Hinzu kommt die gute Arbeit des Kollegen Rack, weshalb der vorliegende Bericht einstimmig im Ausschuss angenommen wurde.
Bei allen Diskussionen zur Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus von Straßentunneln stießen wir wieder einmal auf die Gretchenfrage: bis zu welchem Grad soll die EU detaillierte und spezielle technische Regelungen vorschreiben bzw. wie groß sollte der Spielraum für verschiedene nationale Auslegungsmöglichkeiten gehen? Insbesondere zahlreiche italienische Kollegen hatten sich in diesen Diskussionen für ein flexibleres Herangehen stark gemacht

Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zum vorliegenden Bericht:

1. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert gewesen, ungeachtet aller Flexibilität bei der Einstufung der Tunnel in Sicherheitsklassen, einheitliche Indikatoren für die Bewertung der Sicherheit von Tunneln festzulegen. Ein solches Instrument wäre dann sinnvollerweise für die Bewertung aller Tunnel in der EU nutzbar gewesen, nicht nur für diejenigen im transeuropäischen Netz, und hätte einen noch größeren Mehrwert für die Verbesserung der Sicherheit gebracht. Das würde es auch erlauben, eine Risikoanalyse oder die Bewertung von Gefahrensituationen und Unfällen auf Grundlage gemeinsamer Maßstäbe vorzunehmen. Deshalb bedauere ich, dass der Vorschlag der Kommission nach einheitlicher Anwendung von harmonisierten Normen über die Arbeitsweise von Konformitätsbewertungsstellen nach EN 45000 durch die Untersuchungsorgane abgeändert wurde und nicht mehr im Text enthalten ist.

2. In engem Zusammenhang damit steht auch die Frage, ob bei Vorfällen mit dem Tunnelmanagement selbst befasste Organisationen als Untersuchungsorgan zugelassen werden sollen. Diese Möglichkeit wird nach dem Willen der Mehrheit der Kollegen des Ausschusses nun geschaffen, entgegen dem ursprünglichen Ansatz der Kommission. Ich persönlich bedauere diese Veränderung, da Interessenskonflikte zum Nachteil der Einhaltung der Sicherheit nicht auszuschließen sind.

3. Meine volle Unterstützung findet hingegen die neue Festlegung, dass bei Tunneln, die das Hoheitsgebiet zweier Mitgliedsstaaten berühren, gemeinsame Untersuchungsorgane zu bilden sind, um die erforderlichen Aufgaben zu erfüllen.

4. Mir scheint, dass neben den im vorliegenden Bericht anvisierten Maßnahmen zur Festlegung von Mindestanforderungen für die Sicherheit von Tunneln auch eine Reihe anderer Aktivitäten einfacher und kostengünstiger zur Erhöhung der Sicherheit beitragen können. Da denke ich z.B. an zusätzliche Regeln für die Tunnelnutzer in Bezug auf Geschwindigkeit und Fahrzeugabstand, bestimmte Signalgebung, Markierungen etc. Experten gehen davon aus, dass mit der Harmonisierung solcher Schritte ebenfalls wesentlich zur Erhöhung der Sicherheit beigetragen werden kann.

Gestatten Sie mir es zum Abschluss jedoch, auf einen Umstand hinzuweisen: All die vorgeschlagenen technischen Maßnahmen können wenig oder nichts gegen einen übermüdeten Fahrer ausrichten, der im Tunnel am Lenkrad einschläft. Der menschliche Faktor ist im Straßenverkehr, insbesondere in Tunneln, wie auch in vielen anderen Bereichen unseres gesellschaftlichen Daseins trotz aller modernen Technik letztendlich entscheidend. Deshalb möchte ich den Rat an dieser Stelle auffordern, endlich eine Position zur Verordnung über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr anzunehmen.