Zu den Ergebnissen der WTO-Ministerkonferenz in Cancún
Redebeitrag von Helmuth Markov am 24. September 2003 in Straßburg
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Cancún hat gezeigt, dass die Forderung nach einer Marktöffnung ohne jegliche Differenzierung schlicht unrealistisch ist. Die Ausgangsbedingungen in den einzelnen WTO-Staaten sind so unterschiedlich, dass gleiche Bedingungen für alle nicht Gerechtigkeit fördern, sondern Ungerechtigkeiten verstärken und sich damit von dem erklärten Ziel eines faires Handels entfernen, anstatt sich ihm anzunähern.
Natürlich sind die Differenzen zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern besonders groß. Aber auch diese Blöcke sind keineswegs homogen, genauso wenig wie die Europäische Union ein homogenes Gebilde ist. Und da wir alle wissen, wie schwer es innerhalb der EU ist, zu Ergebnissen zu kommen, müssten wir auch Verständnis dafür haben, wie ungleich schwerer das in einer Gemeinschaft von 148 Staaten ist.
Bei Verhandlungen muss man sich auch immer in die Situation des Verhandlungspartners versetzen. Das heißt, man muss auch bereit sein, Zugeständnisse ohne Gegenleistung zu machen. Wenn man aber Verhandlungen nach dem Basarprinzip führt (gibst Du mir, so geb‘ ich Dir), so muss man sich nicht wundern, wenn sie scheitern.
Wir müssen begreifen, dass die EU nur eine von vielen Regionen in der Welt ist und bei unseren Entscheidungen viel stärker berücksichtigen, welche Auswirkungen sie im globalen Sinne haben. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine Folgenabschätzung unserer Politik.
Die Verhandlungen müssen in offener und transparenter Atmosphäre geführt werden, damit auch die Zivilgesellschaft die Möglichkeit hat, sich in den gesamten Prozess rechtzeitig und umfassend einzubringen. Es ist doch paradox, dass die WTO, die es sich angeblich auf die Fahnen geschrieben hat, Handelsbarrieren zum Wohle der Weltbevölkerung niederzureißen, Zäune gegen ihre Kritiker aufbaut. Ich halte es für vollkommen unakzeptabel, dass die Regierungsvertreter, anstatt das Gespräch mit den Demonstranten zu suchen, sie vom Ort der Verhandlungen ausgesperrt haben.
Eine Rückkehr zu bilateralen Abkommen ist der falsche Weg. Vielmehr müssen die Organisations- und Entscheidungsfindungsstrukturen der WTO so umgestaltet werden, dass multilaterale Abkommen in fairer und transparenter Weise ausgearbeitet werden.