Zum bevorstehenden Verbotsverfahren gegen die prokurdische Partei HADEP
Rede von Feleknas Uca in Brüssel am 27. Februar 2002
Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Menschenrechtssituation in der Türkei hat sich im vergangenen Jahr keineswegs verbessert. Ich bin dafür, dass die Türkei in die
EU aufgenommen wird, aber die Kriterien von Kopenhagen müssen erfüllt werden.
Ich begrüße zwar die Verfassungsänderungen, doch bleiben sie weit hinter meinen Erwartungen zurück. Die Türkei muss noch mehr
Schritte unternehmen, sonst kann sie nicht der EU beitreten. Die Todesstrafe wurde nicht abgeschafft, sondern nur eingeschränkt. Bei
der Umsetzung der Verfassungsänderungen zeigen die türkischen Politiker wenig Eifer. An den türkischen Hochschulen darf zwar
Arabisch, Englisch, Deutsch und Chinesisch gelehrt werden, aber Kurdisch, die Muttersprache von 12 Millionen Menschen, bleibt im
Erziehungswesen verboten. Mehr als 10.000 Studenten, die von ihrem in der Verfassung garantierten Recht Gebrauch machten und mit
Petitionen die Zulassung des Kurdischen forderten, müssen nun mit Strafverfahren rechnen. Sie werden wegen Separatismus
angeklagt. Zu einer friedlichen und politischen Lösung der Kurdenfrage gehört die Aufhebung des Sprachverbots und die Aufnahme von
Kurdisch als Unterrichtsfach in den Studienplan. Die Kriterien von Kopenhagen schließen das Recht auf muttersprachlichen Unterricht
und Medien mit ein und sie müssen eine undiskutierbare Beitrittsbedingung sein.
Auch HADEP Mitglieder wurden festgenommen, denen vorgeworfen wird, die Kurdisch Kampagne initiiert zu haben. Mit dem Auftakt des
Verbotsverfahren gegen die HADEP haben die Repressionen gegenüber HADEP Mitglieder zugenommen. Im vergangenen Jahr
wurden 3245 HADEP Mitglieder festgenommen und mehr als 55 Büros wurden durchsucht und geschlossen. Am Weltfriedenstag
wurden mehr als dreitausend HADEP Mitglieder festgenommen. Ein Mensch verlor sogar sein Leben.
Herr Verheugen, ich fordere sie auf, in den Südosten der Türkei zu reisen und mit den 37 HADEP Bürgermeister Gespräche zu führen.
Die HADEP Bürgermeister bekommen keine finanzielle Hilfe. Die zerstörten Dörfer wurden immer noch nicht aufgebaut. Wie sollen die
tausenden Flüchtlinge überleben? Warum bekommt der Südosten kein Geld aus dem Topf des MEDA Programms, obwohl es die
Bestimmungen vorschreiben?
Es ist ein demokratischer Rückschritt, wenn die HADEP verboten wird. Mit einem Verbot marschiert die Türkei auf ihrem Weg nach
Europa in die falsche Richtung. Ich und meine Fraktion fordern mit Vehemenz, dass das Verfahren gegen HADEP sofort eingestellt wird.
Die Konferenz der Präsidenten hat beschlossen, eine Delegation in die Türkei zu schicken. Solange sich die Türkei nicht öffentlich
gegen ein Verbot von HADEP ausspricht, muss eine Delegation ihre Solidarität mit HADEP zeigen und sie unterstützen. Wir müssen vor
Ort zeigen, dass dieses Haus undemokratische Massnahmen nicht akzeptiert.