Empfehlung zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976
Rede von Sylvia-Yvonne Kaufmann am 11. Juni 2002 in Straßburg
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in meiner Fraktion gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie das Wahlsystem für die Europawahlen ausgestaltet sein soll.
Von daher wird es ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten unserer Fraktion zu dem Bericht geben.
Ich persönlich denke, dass der im Rat erzielte Kompromiss insgesamt akzeptabel ist, weil er einen Schritt hin zu einem homogeneren
europäischen Wahlsystem darstellt. Die Entscheidung über die Unvereinbarkeit einer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Europäischen
Parlament und einem nationalen Parlament war überfällig. Besonders erfreulich ist, dass die Bürgerinnen und Bürger Gibraltars
endlich an Europawahlen teilnehmen können. Ich hoffe sehr, dass auch die Bürgerinnen und Bürger der Beitrittsstaaten im Jahr 2004
an den Wahlen teilnehmen werden und bei den Beitrittsverhandlungen keine zeitlichen Verzögerungen eintreten. Hier bin ich doch
beunruhigt über das jüngste Agieren meiner Regierung und fordere diese auf, den Zeitplan für die Erweiterung nicht in Frage zu stellen!
Ich möchte vier Fragen ansprechen, bei denen meine Fraktion im Zusammenhang mit dem Wahlrecht dringenden Veränderungsbedarf
sieht.
1. Wir lehnen Sperrklauseln ab. Sie sind undemokratisch, weil sie kleinere Parteien benachteiligen und den politischen Pluralismus
einschränken.
2. Es wäre höchste Zeit, das Wahlrecht zu den Europawahlen endlich nicht mehr nur auf Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zu
beschränken. Es ist nicht einzusehen, weshalb Menschen aus Drittstaaten, die in unseren Mitgliedstaaten schon mehrere Jahre leben
und arbeiten, das aktive und passive Wahlrecht noch immer vorenthalten wird. Warum tun wir nicht endlich diesen wichtigen Schritt zur
Integration, gerade vor dem Hintergrund der bedrohlich angewachsenen Ausländerfeindlichkeit in unseren Mitgliedstaaten?
3. Erforderlich ist, eine Absenkung des Wahlalters ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Der „Rat des Europäischen Jugendforums“, der
sich Ende April an den Konvent gewandt hat, fordert eine Absenkung des Alters für das aktive und passive Wahlrecht auf 16 Jahre. Ich
unterstütze diese Forderung der jungen Leute und hoffe, dass sich der Jugendkonvent im Juli ebenfalls massiv dafür stark macht.
4. In den Erwägungen des Berichts wird völlig zu recht die Frage der Gleichstellung der Geschlechter angesprochen. Es ist wirklich nicht
akzeptabel, dass nur zirka 30 Prozent aller Abgeordneten dieses Hauses Frauen sind. Hier sind insbesondere die politischen Parteien
gefordert, dem Grundsatz der paritätischen Repräsentanz der Geschlechter über die Aufstellung ihrer Kandidatenlisten Rechnung zu
tragen.