Bisherige Bemühungen um Frieden in Tschetschenien nicht ausreichend

Rede Helmuth Markovs zur Lage in Tschetschenien vor dem Strassburger Plenum am 15. Februar 2001

Der Konflikt in Tschetschenien ist aus dem öffentlichen Bewusstsein längst wieder verschwunden. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass das Parlament mit der heutigen Diskussion auf die Situation in dieser Region erneut aufmerksam macht.

Anderthalb Jahre nach Beginn des Krieges hat sich bestätigt, was das Parlament von Anfang an gesagt hat: Keines der Probleme konnte militärisch gelöst werden und alle Beteiligten haben verloren. Ich denke, dass diese Erkenntnis mit jedem Tag bei allen Beteiligten wächst. Es ist tragisch, dass statt endlich zu verhandeln und mit dem Wiederaufbau zu beginnen, mit inakzeptablen Methoden auf den Widerstand der jeweils anderen Seite reagiert wird.

Ich begrüße das Engagement des Parlaments zur Einhaltung der Menschenrechte in den Flüchtlings- und Gefangenenlagern. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir in einer Situation, in der Gewaltanwendung Alltag ist, mit Delegationen, Beobachtermissionen und Resolutionen diese Probleme nur mildern, nicht lösen können. Daher sehe ich unsere wichtigste Aufgabe darin, einen Beitrag zu leisten, dass diese Region wieder eine Perspektive erhält. Dazu bedarf es zunächst des intensivsten Dialoges. Wir sollten insbesondere unsere Beziehungen zur russischen Duma hier – noch konsequenter als bisher – nutzen.

Ich möchte hier auch darauf aufmerksam machen, dass einseitige Verurteilungen wenig hilfreich sind. Wir werden die Verhandlungsbereitschaft der russischen Seite nur befördern können, wenn wir auch ihre Besorgnisse ernst nehmen. Nach wie vor gibt es in Südrussland Terroranschläge und in Tschetschenien militärische Aktionen tschetschenischer Untergrundkämpfer.

Wir haben vor kurzem den Bericht Oostlander verabschiedet, in dem wir ausdrücklich die zweigleisige Strategie der EU gegenüber Russland begrüßt haben, die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien zu verurteilen und gleichzeitig die Zusammenarbeit und den Dialog weiterzuentwickeln. Beide Bestandteile dieser Strategie sind aus meiner Sicht ausbaufähig. Hinsichtlich Tschetschenien bin ich allerdings besorgt: Mir scheint, dass die Kritik an den Zuständen in den Flüchtlings- und Gefangenenlagern während der Gespräche von Rat, Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten zur Routine verkommen ist, die nichts bewegt. Und ich möchte Sie, Kommissar Patten, fragen, welche Aktivitäten Sie unternehmen, um auf dem Wege einer politischen Lösung des Konfliktes voranzukommen.