Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in Gent 19.10.2001

Rede von Sylvia-Yvonne Kaufmann, Strasbourg 24.10.01

Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident,

Ich habe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass in Gent in Vorbereitung auf den Gipfel von Laeken auch der Themenkomplex „Zukunft Europas“ debattiert wurde.

Sie, Herr Ministerpräsident Verhofstadt haben angekündigt, dass die diesbezügliche Erklärung von Laeken „keine klassische“, sondern eine „ehrgeizige“ Erklärung werden soll, „die die Schwächen der EU und die Befürchtungen der Bürger erkennt und klar den Weg der erweiterten Union in der künftigen Welt“ aufzeigt. Ich davon überzeugt, dass die belgische Ratspräsidentschaft alles daran setzen wird, um im Dezember einen Beschluss herbeizuführen, der diesem hohen Anspruch tatsächlich gerecht wird.

Bei der Einberufung eines Konvents zur Vorbereitung der nächsten Regierungskonferenz sollte unbedingt Folgendes berücksichtigt werden:

seine ausgewogen proportionale Zusammensetzung mit Vertreterinnen und Vertretern der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments analog dem Konvent zur Ausarbeitung der Grundrechtecharta;

Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten und Regierungsvertreter der Beitrittskandidatenstaaten müssen in die Arbeiten des Konvents voll einbezogen werden und zumindest Beobachterstatus haben;

Bei der Zusammensetzung des Konvents muss gesichert sein, dass das Prinzip des politischen Pluralismus gewährleistet ist. Politische Debatten brauchen Pro und Contra, dadurch werden sie nicht nur lebendig und interessant. Nur wenn wirklich die unterschiedlichsten politischen Kräfte aus den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, kann ein politisch tragfähiges Ergebnis erreicht werden, dass auch in der Bevölkerung unterstützt wird;

Bei der Arbeit des Konvents muss vollständige Transparenz hergestellt werden, sowohl im Hinblick auf den Ablauf seiner Debatten und Beratungen als auch im Hinblick auf den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten, der mit allen verfügbaren Mitteln garantiert werden muss;

Notwendig ist ein zielgerichteter, strukturierter Dialog mit der Zivilgesellschaft. Die diesbezüglichen Vorschläge der belgischen Ratspräsidentschaft werden in Laeken hoffentlich die Unterstützung aller Regierungen erhalten.

Last, but not least – die Beratungen des Konvents dürfen nicht auf die 4 Themen der Erklärung von Nizza beschränkt bleiben. Die Massenarbeitslosigkeit ist unverändert das größte Problem, das die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union bewegt. Einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Kommission zufolge sind 60 Millionen Menschen in der Union von Armut betroffen. Der politische Handlungsbedarf ist enorm hoch. Wenn es hier keine Wende in der Politik gibt, dann besteht die Gefahr, dass die Zukunftsfähigkeit der Union verspielt werden könnte.