Zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vom 14./15.12. 2001 in Laeken
Rede von Sylvia-Yvonne Kaufmann, Brüssel den 17.12.2001
Mit der „Erklärung von Laeken“ zur Einberufung eines Konvents hat der Gipfel einen Beschluss von historischer Tragweite für die Zukunft der Europäischen Union gefasst. Von besonderer Bedeutung ist m. E., dass keine der zahlreichen offenen politischen Fragen zur Zukunft der EU zum Tabu erklärt wurde und mit dem Mandat des Konvents zugleich die Einleitung eines europäischen Verfassungsprozesses verbunden sein kann.
Die Einberufung des Konvents ist auch deshalb ein Meilenstein in der europäischen Politik, weil mit ihm die Politik der Geheimdiplomatie hinter verschlossenen Türen, von undurchsichtigen Entscheidungsfindungen und des Feilschens im Sitzungsmarathon langer Nächte – wie zuletzt auf dem EU-Gipfel von Nizza geschehen – hoffentlich ein für alle mal der Vergangenheit angehört. Es kann nicht hoch genug bewertet werden, dass der Konvent mehrheitlich aus demokratisch gewählten Abgeordneten der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments besteht, dass er öffentlich tagen und den Dialog mit den verschiedensten Organisationen der Zivilgesellschaft führen wird und dass die Beitrittskandidatenstaaten an der Erarbeitung von Vorschlägen für die bislang tiefgreifendste Reform der Europäischen Union beteiligt sind. Damit ist die Chance verbunden, tatsächlich europaweit kontrovers zu diskutieren und so eine breite öffentliche Debatte über die Zukunft Europas zu führen.
Da eine solche Debatte nur dadurch lebendig wird, wenn pro und contra offen diskutiert werden, will ich eine Position des Parlaments noch einmal deutlich unterstreichen – die Forderung nach Gewährleistung der politischen Pluralität bei der Zusammensetzung des Konvents. Der Wahl derjenigen, die ihre Länder, ihre nationalen Parlamente oder das Europäische Parlament vertreten werden, kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Deshalb: es muss gesichert werden, dass dem Konvent nicht nur Verteterinnen und Vertreter der großen europäischen Parteienfamilien angehören. Die Meinungsvielfalt muss zum Tragen kommen, damit die vom Konvent zu erarbeitenden Vorschläge für die Zukunft Europas im Ergebnis wirklich zu einer gemeinsamen europäischen Position werden können.
Für den Erfolg des Konvents und letztlich für die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union wird entscheidend sein, dass es gelingt, die Europäische Union umfassend zu demokratisieren und die individuellen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Ich hoffe und setze darauf, dass der Konvent durch die engagierte Arbeit aller seiner Mitglieder als eigenständiges Gremium im Laufe seiner Beratungen eine eigene politische Dynamik entfalten wird, so dass sich die nächste Regierungskonferenz nicht einfach über seine Vorschläge hinwegsetzen kann.