Übernahmerichtlinie dient der Gewinnmaximierung nicht der sozialen Sicherung

Erklärung von Helmuth Markov am 4. Juli 2001 in Strassburg zum Abstimmungsverhalten im Namen der Fraktion der GUE/NGL zum Bericht Lehne (A5-237/2001) ‚Übernahmeangebote‘

Der gemeinsame Entwurf der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote wird von meiner Fraktion abgelehnt. Der Kompromiss, der im Vermittlungsausschuss gefunden wurde, ist für uns nicht akzeptabel. Nach dem Sprichwort „Was lange währt, wird gut“ hätte man nach 12 Jahren Diskussion eine perfekte Richtlinie erwarten können. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Wo liegen die Probleme?

1. Es gibt in den Mitgliedstaaten geschützte Unternehmen, sei es durch Stimmbeschränkungen, „Golden Shares“, Mehrfachstimmrechte etc. Die Richtlinie legt fest, dass geschützte Unternehmen ungeschützte übernehmen können, ungeschützte Unternehmen aber keine geschützten. Das heißt, es gibt keine Gleichbehandlung („level playing field“).
2. Grundsätze zur Bestimmung eines angemessenen Preises, der im Falle eines obligatorischen Angebotes zu unterbreiten ist, fehlen ebenso wie Grundsätze über die Rechte des Mehrheitsaktionärs die Anteile der Minderheitsaktionäre zu erwerben.
3. Die europäischen Unternehmen würden dem Druck der großen Finanzkonzerne in Europa ausgesetzt werden, wodurch nicht mehr die Wertschöpfung im Vordergrund stünde, sondern ausschließlich die Gewinnmaximierung. Dies wiederum erhöht die Gefahr, dass bei Übernahmen nach solchem Muster Arbeitsplätze im erheblichen Maße wegfallen.
4. Die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretungen sind ungenügend artikuliert. Eine Informationspflicht gewährleistet nicht eine Einflussnahme auf den Übernahmeprozess durch die Arbeitnehmervertretungen.

Diese Problemstellungen sind auch der Kommission sehr wohl bewusst, schlägt sie doch vor, eine Gruppe von Gesellschaftsrechtsexperten zu bitten, über eine weitergehende Harmonisierung des Gesellschaftsrechts zu beraten und ihre Haltung zu Artikel 9 dieser Übernahmeangebote-Richtlinie bis März 2002 deutlich zu machen. Was ist das für eine Logik? Ich glaube, dass es sinnvoller gewesen wäre, erst eine Expertengruppe einzuberufen, Ergebnisse vorzulegen und dann eine Richtlinie zu erlassen, statt erst eine Richtlinie zu erlassen und dann eine Expertengruppe über die ungelösten Probleme der Richtlinie beraten zu lassen.

Außerdem ist es im Zusammenhang mit der Übernahmerichtlinie dringend erforderlich, eine Richtlinie zur Neutralitätspflicht zu erlassen. Diese liegt seit 1972 im Entwurf vor und konnte bis heute nicht verabschiedet werden. Herrn Bolkestein und dem Rat sei dringend empfohlen, ihre Hausaufgaben zu machen. Weil wir ihnen diese Möglichkeit einräumen wollten, haben wir dem vorliegenden Papier die Zustimmung verweigert.