Arbeitsprogramm der Kommission für 2002 – Mitteilung der Kommission über die Zukunft der Europäischen Union

Rede von Sylvia-Yvonne Kaufmann, Strassburg 11.12.2001

Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, Herr Ratspräsident,

Auch ich möchte mich dem Dank an die belgische Ratspräsidentschaft anschließen und hoffe, dass wir alle gemeinsam einen wirklich erfolgreichen Gipfel in Laeken haben werden.

Heute steht hier das Arbeitsprogramm der Kommission zur Debatte, und ich will sagen, dass meine Fraktion die gemeinsame Entschließung verschiedener Fraktionen zu diesem Arbeitsprogramm unterstützt. Warum? Weil es eine interinstitutionelle Vereinbarung zwischen beiden Institutionen gibt. Von daher finde ich es wirklich nicht unangemessen von diesem Haus, dass wir schlicht und einfach erwarten, dass die Kommission ihre Zusagen dem Parlament gegenüber auch einhält.

In ihrem Weißbuch über Governance, Herr Prodi, ist auf vielen Seiten davon die Rede, wie Europa besser regiert werden könnte. Nur das, was zu den elementaren Hausaufgaben zählt, nämlich das Vorlegen eines Legislativprogramms, findet einfach nicht statt. Ich habe heute früh gehört, dass gestern Nacht eine Mail mit einem Anhang eingetroffen sei. Das, was ich bis jetzt als Text kenne, ist ein Arbeitsprogramm, in dem es nach allem, was ich gelesen habe, wirklich von Allgemeinplätzen nur so wimmelt. Da werden „umfassende Maßnahmenbündel“ angekündigt, „weitere Maßnahmen“ sollen vorgeschlagen werden, „konkrete Maßnahmen“ sind in Vorbereitung, und so geht das auf 20 Seiten weiter. Aber Rat und Parlament vor allem müssen doch wissen, und zwar rechtzeitig, welche Gesetze konkret auf den Weg gebracht werden sollen, und vor allen Dingen, warum. Wir müssen wissen, wie sie begründet wurden, damit wir gemeinsam hier tätig werden können.

Ich möchte nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass die nationalen Parlamente, die bei dem Prozess auch eine Rolle spielen, und zwar eine nicht unerhebliche, ziemliche Schwierigkeiten mit dem gesamten Verfahren haben, und dieses Problem, Herr Kommissionspräsident, muss gelöst werden.

Noch einige Anmerkungen zu Ihrer Mitteilung zu Laeken. Aus meiner Sicht enthält sie durchaus interessante und unterstützenswerte Überlegungen. Es ist richtig, dass eine strikte Beschränkung auf die vier in Nizza genannten Schwerpunkte die Glaubwürdigkeit des Konvents schwächen würde. Der Fragenkatalog muss erweitert werden, um den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu entsprechen und um die erweiterte Union zukunftsfähig zu machen.

Allerdings muss ich sagen: auch bei diesem Papier habe ich mich immer wieder gewundert, warum die Kommission gerade vor diesem so wichtigen Gipfel so wenig Mut zur Vision aufbringt. Was sollen Bürgerinnen und Bürger davon halten, wenn die Kommission wirklich unambitioniert davon spricht, dass sie – wie es im Text heißt – „eine bestimmte Idee Europas“ verteidigen will? Ja, welche denn? Wie soll die angestrebte Vertiefung der Integration, für die wir ja sind, aussehen und wieso soll sie eigentlich lediglich „demokratische Züge“ tragen, wie es im Text heißt? Ich finde es doch einigermaßen schleierhaft, warum gerade mit Blick auf Laeken, gerade mit Blick auf die historische Dimension der Einberufung eines Konvents nicht klipp und klar gesagt wird: Ja, unser gemeinsames Ziel ist die Schaffung eines wahrhaft demokratischen Europas, und, Herr Kommissionspräsident, ich erwarte von der Kommission, dass sie ihrer Funktion als Motor der europäischen Integration künftig noch wesentlich energischer gerecht wird.