Erklärung zur Abstimmung im Namen der GUE / NGL-Fraktion zum Bericht Väyrynen „Gemeinsame Strategie der EU für die Ukraine“
Der Bericht unterstreicht die Bedeutung, die von Seiten der EU der Ukraine geschenkt wird. Er hebt erreichte Fortschritte in der Entwicklung des Landes und in den partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine hervor, scheut sich aber auch nicht, auf kritische Momente zu verweisen.
Auf drei Aspekte möchte ich eingehen. 1. Der Zerfall der Sowjetunion im Dezember 1989 hat zur schnellen Gründung souveräner unabhängiger Staaten geführt – ein Prozess, der schnell, fast über Nacht ablaufen konnte, der aber die über Jahrzehnte gewachsene Spezialisierung und Kooperation der Wirtschaften zwischen den einzelnen Staaten nicht aufheben konnte.
Wenn auch im unterschiedlichen Tempo, so ist doch der Transformationsprozess, auf den auch die EU drängte, mit sozialem Abbau und nicht gekannter Armut für größere Teile der Bevölkerung in der Ukraine verbunden. Der Beseitigung dieses Problems sollte die EU in ihrer Zusammenarbeit mit der Ukraine größere Bedeutung beimessen.
Während die EU und ihre Mitgliedstaaten unter der Losung Stabilität vor allem Marktinteressen verfolgten, wurde der langjährigen Zusammenarbeit zwischen den Staaten der GUS wenig Aufmerksamkeit geschenkt, man könnte sogar sagen, sie wurde torpediert. Schon aus Eigeninteresse sollte die EU diesen Faktor künftig stärker beachten und in ihrem Verständnis von der Einbeziehung der Ukraine in die Weltwirtschaft auch davon ausgehen, dass andere Staaten der GUS sich in einem ähnlichen Prozess befinden.
2. Die Summe der Ratschläge an die Ukraine ist nicht klein und sicher auch in nicht wenigen Bereichen berechtigt und hilfreich. Politik ist aber auch immer mit Interessen verbunden. Wenn sie jedoch bei der Ausgestaltung der Partnerschaft einer starken Tendenz zur einseitigen Vorteilnahme unterliegt, wird es problematisch. Partnerschaft mit der Ukraine sollte wirtschaftliche Stabilität und soziale Sicherheit fördern und Spannungen verhindern oder abbauen helfen. Hier liegen die wirklichen gemeinsamen Interessen zwischen der EU und der Ukraine.
3. Niemand wird bestreiten, dass die OSZE während des Kalten Krieges eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Stabilität in Europa gespielt hat. An diesem Prozess waren beide Seiten beteiligt, davon haben beide Seiten profitiert. Die OSZE sollte nun, ein Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges, vor allem als ein Instrument zur friedlichen, zur politischen Lösung von Konflikten entwickelt werden. Doch die NATO verfolgt einen gegenteiligen Kurs, sie setzt mit ihrer neuen Strategie auf Stärke und Machtentfaltung außerhalb der sich immer weiter nach Osten verschiebenden Bündnisgrenzen, und die EU ist dabei, diesem Kurs zu folgen. Ich halte es für sehr bedenklich, die Ukraine, die über eine lange Grenze zu Russland verfügt, in diese Strategie einzubeziehen. Die Ukraine – und das gilt auch für andere GUS-Staaten – sollte viel stärker als bisher in politische Prozesse zur Lösung von Konflikten integriert werden. Die OSZE wäre dafür der geeignete Rahmen.
Gerade mit den entstehenden neuen Außengrenzen der Union wird dieser Faktor nicht zuletzt in Hinblick auf die Ukraine an Bedeutung gewinnen.
Hans Modrow
Strasbourg, d. 14. 03. 2001