Bericht über den Europäischen Rat in Laeken und die Zukunft der Union (Leinen/Méndez de Vigo)

Rede von Sylvia-Yvonne Kaufmann, Brüssel, 28.11.01

Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident,

Ich werde im Rahmen dieser Debatte zum bevorstehenden Gipfel in Laeken zum Konvent sprechen.

Dieses Parlament hat sich insbesondere seit dem verunglückten Gipfel von Nizza dafür stark gemacht, dass mit Blick auf Regierungskonferenzen endlich eine neue Methode angewandt wird. Es hat sich parteiübergreifend, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der nationalen Parlamente und gemeinsam mit diversen Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft dafür engagiert, die Politik der Geheimdiplomatie hinter verschlossenen Türen, die Politik der undurchsichtigen Entscheidungsfindung und die Politik des Schacherns im Sitzungsmarathon langer Nächte ein für alle mal in die Vergangenheit zu verbannen.

Für die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union ist diese neue Methode, ist die Einberufung eines Konvents, meiner Meinung nach zwingend erforderlich. Denn es geht zu allerst um die Stärkung der Demokratie in Europa, es geht vor allem um die Bürgerinnen und Bürger, um eine umfassende, breite Debatte über die Ausgestaltung des gemeinsamen Hauses Europa, dem 2004 hoffentlich zehn weitere europäische Länder angehören werden.

Sie, Herr Ratspräsident, haben heute die Eckpunkte der „Erklärung von Laeken“ vorgestellt, die eine „ehrgeizige“ Erklärung werden soll. Lassen Sie mich einige Fragen aufgreifen.

Bei der Zusammensetzung des Konvents muss aus Sicht der Fraktion zweierlei gesichert sein:

– Zum einen das Prinzip des politischen Pluralismus. Es muss gesichert sein, dass die unterschiedlichsten politischen Kräfte im Konvent vertreten sind, nicht nur Abgeordnete der großen politischen Parteien, sondern auch verschiedenster kleinerer Parteien. Politische Debatten brauchen Pro und Contra, dadurch werden sie lebendig und interessant. Vor allem aber: Nur wenn wirklich die unterschiedlichsten politischen Kräfte aus den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, kann ein politisch tragfähiges Ergebnis erreicht werden, das dann auch in der Bevölkerung unterstützt wird.
– Zum zweiten die angemessene Vertretung beider Geschlechter. Hier liegen entsprechende Anträge vor, und ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, diese morgen bei der Abstimmung zu unterstützen. Nicht nur die EP-Delegation sollte bei ihrer Zusammensetzung auf eine angemessene Vertretung beider Geschlechter Wert legen, sondern ebenso die nationalen Parlamente und natürlich auch der Rat.

Die Arbeit des Konvents muss durch vollständige Transparenz gekennzeichnet sein, sowohl im Hinblick auf den Ablauf seiner Debatten und Beratungen als auch im Hinblick auf den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten, der mit allen verfügbaren Mitteln garantiert werden muss;

Notwendig ist ferner ein zielgerichteter, strukturierter Dialog mit der Zivilgesellschaft, dessen Koordination und Organisation z.B. beim Wirtschafts- und Sozialausschuss, als wichtigem Sprachrohr der Zivilgesellschaft, liegen könnte. Stattfinden müssen auch öffentliche Anhörungen des Konvents.

Ich begrüße die Ankündigung des Ratspräsidenten, dass der Konvent seine Tagesordnung selbst festlegen soll. Denn schließlich geht es nicht nur um institutionelle Fragen, es geht vor allem um die Frage, wie die verschiedenen EU-Politiken künftig ausgerichtet werden sollen, und hier ist Veränderung dringend von nöten. Wenn die EU-Kommission kürzlich feststellte, dass 60 Millionen Menschen in der Union von Armut betroffen sind, dann zeigt das den enorm hohen politischen Handlungsbedarf. Wenn es hier keine Wende in der Politik gibt, dann droht die Zukunftsfähigkeit der Union verspielt zu werden