Zur Abstimmung des Berichtes über die Vorschläge des Europäischen Parlaments für die Regierungskonferenz

Helmuth Markov am 14.4.00 vor dem EP in Strassburg

Der gestern vom Europäischen Parlament verabschiedete Bericht geht in seinen Vorschlägen für die Regierungskonferenz über die sogenannten „left-overs“ von Amsterdam hinaus und bietet somit eine Diskussionsgrundlage für die anstehende Regierungskonferenz. Eine Reihe von Vorschlägen darin finden meine Unterstützung. Dazu gehört, dass in der Europäischen Union künftig Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit im Rat und das Mitentscheidungsverfahren zur Regel werden sollen. Ich begrüsse, dass das Parlament sich dafür ausgesprochen hat, die derzeitige Pfeilerstruktur und die Zusammenarbeit auf Regierungsebene schrittweise abzubauen, um künftig eine effizientere und demokratischere Beschlussfassung zu ermöglichen. Ein wichtiges Signal ist auch, dass das Parlament Rechtsverbindlichkeit für die zukünftige europäische Grundrechtecharta gefordert hat, um den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, ihre Grundrechte notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof einzuklagen.

Der Bericht enthält jedoch einige für mich wesentliche Punkte, denen ich nicht zustimmen kann:

Ich bin der Auffassung, dass die Regierungskonferenz dazu genutzt werden sollte, das Ziel der Vollbeschäftigung und der Bewahrung und Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme in Europa in den Verträgen festzuschreiben . Dies fand jedoch in den Bericht keinen Eingang. Unsere Forderung, Beschäftigung und Wohlfahrt zum vorrangigen Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion zu machen, wurde von der Mehrheit des Parlamentes abgelehnt. Auch die Rolle der Europäischen Zentralbank und ihre Mitverantwortung bei der Forderung von Wachstum und Beschäftigung fand im Bericht keine Berücksichtigung.

Die Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlamentes unterstützt eine massive Militarisierung der Europäischen Union. Der Bericht sieht die Integration der WEU in die Europäische Union, die Einrichtung eines Rates der Verteidigungsminister und eine verstärkte Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten im Militärbereich vor. Ich lehne jedoch eine europäische Verteidigungsunion ab.

Die Vorschläge des Berichts sind für eine wirkliche Demokratisierung der Union nicht weitreichend genug. Wenn auch die Rechte des Europäischen Parlamentes durch Mitentscheidung gestärkt werden sollen, so hat sich die Parlamentsmehrheit jedoch nicht für ein Initiativrecht des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsprozess ausgesprochen. Das Parlament hat es mit seinem Bericht nicht geleistet, die Grundlagen für eine grössere Mitgestaltungs- und Kontrollmöglichkeit der nationalen Parlamente, für mehr Bürger/innenbeteiligung und direkte Demokratie und für eine Ausweitung gewerkschaftlicher und betrieblicher Mitbestimmungsrechte zu legen. Aus all diesen Gründen habe ich dem Bericht nicht.