Redebeitrag zur Kohärenz der verschiedenen Unionspolitiken mit der Entwicklungspolitik
Hans Modrow am 16.2.00 vor dem EP in Strassburg
Die Berichte geben Rechenschaft, zeugen jedoch auch von der wachsenden Widersprüchlichkeit der Entwicklungspolitik der Union und ihrer Mitgliedstaaten. Wenn festgestellt wird, dass die Beseitigung der Armut der gemeinsame Nenner ist, so ist das eher Wunsch als Wirklichkeit. Tatsache ist, die Zahl der Armen ist in den vergangenen 20 Jahren nicht gesunken, sondern auf 1,4 Milliarden angewachsen.
Eine ehrliche Bilanz der Nord-Süd-Politik kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass sich die Schere zwischen den ärmsten und den reichsten Ländern weiter geöffnet hat. Statt dies als eine direkte Folge der neoliberalen Politik zu bezeichnen, wird die Notwendigkeit betont, den Begriff „gute Regierungsführung“ für die Entwicklungshilfe klarer zu definieren. Ich frage mich allerdings, mit welchem moralischem Recht und Anspruch soll das geschehen, wenn die geforderten Kriterien Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Mitgliedstaaten der EU selbst verletzt werden?
Korruption blüht, schwarze Parteikassen werden angelegt, und EU-Mittel vermutlich in Wahlkampfkassen geleitet. Der kritische Umgang mit uns selbst ist hier Voraussetzung für die Festlegung realer Kriterien. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die Mitgliedstaaten der Union sich der Bereitstellung von 0,7% des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe nicht nähern, sondern im Gegenteil sich immer weiter davon entfernen.
Bedauerlich scheint mir auch, dass in dem Bericht kein Wort über Rüstungsgeschäfte verloren wird, andere Kolleginnen und Kollegen haben darüber bereits gesprochen. Damit machen die Industrieländer im Verein mit herrschenden Kasten in manchen AKP-Ländern nicht nur gewaltige Gewinne, sondern es wird auch ein fürchterlicher Kreislauf in Gang gesetzt, den wir nicht vergessen sollten. Erst werden Waffen geliefert, dann brechen gewaltsame Konflikte auf, bis schliesslich Truppen der Waffenlieferstaaten eingesetzt werden, und dann beginnt alles wieder von vorne.
Unterstützen möchte ich besonders im Bericht des Herrn Corrie die Feststellung, dass wir Anlass haben, einen fairen Umgang mit dem Antrag Kubas auf Beitritt zu den AKP-Staaten zu prüfen. Dort wird hervorgehoben, welche Veränderungen im Ansatz sich dort zeigen. Wir sollten hier nicht den USA folgen, sondern mehr von unseren eigenen Positionen ausgehen und nicht neue, höhere Hürden errichten.
Herr Kommissar, Kohärenz der Politiken zu fordern und darzustellen, ist gut. Aber sie will auch durch politische Arbeit der Kommission im Zusammenwirken mit dem Parlament gestaltet werden, und hier glaube ich, liegen grosse Aufgaben vor uns, an denen ich mich beteiligen werde.