Redebeitrag zur Kapitalsteuer
André Brie am 19.1.00 vor dem EP in Strassburg
Man kann hier ja nicht nur die Zahl ständig wiederholen, die viele Vorredner schon genannt haben, sondern muss auch einmal erwähnen, Herr Kommissar, dass 80% dieser gigantischen täglichen Devisenumsätze eine Anlagedauer von nicht mehr als acht Tagen haben. Es kann doch nicht so bleiben, dass Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen weniger lukrativ sind, als kurzfristige Devisen- und Aktienumsätze. Das kann dochnicht so bleiben, dass wir uns die politischen Gestaltungsmöglichkeiten zerstören lassen. Das kann doch nicht so bleiben, dass Einkommen aus nichtwirtschaftlicher Tätigkeit immer schneller steigt. In Deutschland hat sich, seit Tobin seine Idee entwickelt hat, gezeigt, dass sich Einkommen aus Geldvermögen in ihrem Anteil am gesamtgesellschaftlichen Einkommen von 7,6% auf heute fast das Doppelte erhöht haben.
Das kann doch nicht so bleiben. dass die ärmsten Länder dieser Erde den spekulativen Auseinandersetzungen hinsichtlich kurzfristiger Währungsschwankungen am stärksten ausgesetzt sind. Ich glaube auch nicht, dass das unpraktikabel ist. Warum soll es denn nicht möglich sein, ein Abkommen der G 7-Staaten, der anderen EU-Staaten, Chinas, Singapurs, der Schweiz über diese Einführung der Tobin-Steuer zustande zu bekommen? Ein allgemeines wirtschaftliches Interesse müsste existieren. Warum soll es nicht praktikabel sein – und es ist differenzierbar -, dass man die Transaktionen zum sofortigen Devisenaustausch, all die sogenannten Kassageschafte, die Devisentermin- und Optionsgeschafte zum Gegenstand dieser Steuer macht? Warum soll es nicht praktikabel sein, diese Steuer in ihrer Höhe so festzulegen, dass der Steuersatz die wirtschaftlich notwendigen langfristigen Anlagen nicht gefährdet, aber die kurzfristigen und spekulativen Anlagen endlich unattraktiv macht? Es wird sicherlich sehr viele schwierige Fragen geben, aber das einzige grosse Problem, das ich sehe, ist bislang der politische Wille und dieses auch heute zum Tragen gekommene Sankt-Florians-Prinzip, die Verantwortung von einer Stelle zur anderen zu schieben.