Über den Stand der Liberalisierung der Energiemärkte
Rede von André Brie am 4. Juli 2000 im Europäischen Parlament in Strassburg zum Zweiten Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament Über den Stand der Liberalisierung der Energiemärkte
Auch dieser Bericht zeigt wieder einmal, dass Liberalisierung, freier Markt und Wettbewerb als geradezu fundamentalistische Grundsätze für die Lösung aller aktuellen wirtschaftlichen und anderen Probleme gesehen werden. Einige durchaus positive Entwicklungen in der europäischen Energiepolitik übersehe ich nicht. Zweifellos sind auch die Preise für Elektroenergie gesunken. Dass andere Energiepreise aber teilweise explosionsartig gestiegen sind, wird schamhaft verschwiegen, da diese Tatsache wohl nicht in die Liberalisierungseuphorie passt.
Insgesamt werden meiner Meinung nach einige sehr ernste Probleme und Fehlentwicklungen der EU-Energiepolitik nicht ausreichend oder gar nicht angesprochen.
Erstens fehlt mir eine konsequente Auseinandersetzung mit der gängigen und ganz und gar nicht „liberalen“ Praxis, atomare und fossile Energieträger in verschiedensten Formen massiv zu subventionieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Forderung wiederholen, EURATOM der Kontrolle des Europäischen Parlaments zu unterstellen.
Zweitens muss die EU-Richtlinie für den Strombinnenmarkt um eine EU-weite Einspeiserichtlinie zugunsten ökologischer und dezentraler Energiewirtschaft erweitert werden.
Drittens sollte die Förderpolitik der EU ebenfalls und grundsätzlich umgestellt werden. Das beträfe insbesondere die Beihilfen, die Instrumente für die Struktur- und Regionalförderung sowie die Kreditpolitik der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Nicht der Bau von Hochspannungsleitungen für eine zentralisierte Energiewirtschaft, sondern Energieeinsparung, erneuerbare Energien und eine energiepolitische Regionalisierung sollten solcherart gefördert werden.
Viertens möchte ich davor warnen, mit der derzeitigen EU-weiten Liberalisierung die kommunalen Energiebetriebe kaputt machen zu wollen. Hier geht es eben nicht nur um wirtschaftliche Gesichtspunkte, sondern auch um die demokratische Stärke und die soziale und andere Handlungsfähigkeit der Kommunen. Sie dürfen der Liberalisierung nicht geopfert werden.