Internet und Telekommunikation müssen für alle offen bleiben
Rede Helmuth Markovs vor dem Straßburger Plenum am 6. September 2000 zu ‚Fusionen in der Telekommunikation‘
Unsere Fraktion begrüßt es ausdrücklich, dass die Kommission und das US Department of Justice couragiert die geplante Fusion von MCI WorldCom und Sprint gestoppt haben. Wir vernehmen auch mit Freude, dass die US-Behörden den Deal von AOL und Time Warner nicht genehmigen wollen. Wir finden, dass das Internet ein Kommunikationsmedium für alle bleiben muss. Deshalb muss auch weiter verhindert werden, dass Telekommunikations- und Mediengiganten hier eine dominierende Position aufbauen können.
Dafür ist das Wettbewerbsrecht zwar ein wirksames und notwendiges Instrument. Doch Fusionen haben nicht nur Folgen für den Wettbewerb, sondern auch für Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt. Nicht selten führten Fusionen in der Telekommunikation zum Abbau von Beschäftigung und zu schlechteren Serviceangeboten, obwohl die Erträge der neuen Firma immer besser wurden. Häufig konzentrierten sich die fusionierten Firmen sehr stark auf den kaufkräftigen Geschäftskundenbereich und vernachlässigen es, neue Dienste für die breite Masse der Verbraucherinnen und Verbraucher bereitzustellen. Wir finden, das kann so nicht hingenommen werden.
Wenn wir über Fusionen bei Telekommunikation und Medien reden, so sprechen wir nicht über krisengeschüttelte Branchen sondern über einen auf Dauer eher expandierenden Bereich. Dies macht es objektiv leichter, auch sozial- und beschäftigungspolitische Aspekte in Fusionsentscheidungen einzubeziehen. In den USA hat die Federal Communications Commission seit Mitte der 90er Jahre in mehreren Fusionsentscheidungen Selbstverpflichtungen der Unternehmen zum Erhalt oder zur Ausweitung der Beschäftigtenzahl, zur Verbesserung der Servicequalität und zur verbesserten Wahrnehmung öffentlicher Interessen ausgehandelt. Wir verstehen es deshalb nicht, warum man sich ausgerechnet im sozialstaatlichen Europa bloß auf das Wettbewerbsrecht zurückzieht.
Wir fordern gemeinsam mit den Gewerkschaften in dieser Branche, dass die EU verbindliche Sozialklauseln für die Genehmigung von Fusionen einführt. Über die wettbewerbsrechtliche Prüfung hinaus brauchen wir in der Telekommunikation weitere Kriterien bei Fusionsentscheidungen:
Die Unternehmen sollen sich verbindlich zum Erhalt oder zum Ausbau des Beschäftigungsniveaus verpflichten.
Sie sollen die Servicequalität für breite Verbraucherschichten verbessern.
Sie müssen die Mechanismen des Europäischen Sozialen Dialogs und die Bestimmungen der Richtlinie zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer auch in der Übergangsphase zur neuen fusionierten Firma strikt umsetzen.
Die Fusion soll einen Zusatznutzen zur Förderung öffentlicher Interessen erbringen. Dies betrifft Punkte wie die Sicherstellung eines umfassenden und modernen Universaldiensts sowie Anforderungen an Datensicherheit, Daten- und Verbraucherschutz.
Nur so können wir sicherstellen, dass die Wettbewerbspolitik auch das europäische Sozialmodell in der New Economy stärkt.