Redebeitrag zum System der Eigenmittel

Helmuth Markov am 16.11.99 vor dem EP

Es war sowohl ein politisches als auch ein intellektuelles Vergnügen, sich mit dem Bericht von Frau Haug auseinanderzusetzen. Ich glaube sehr wohl, dass der Bericht das beschreibt, was gegenwärtig als das politisch Machbare eingeschätzt wird, aber ich denke, dass wir angesichts der vor uns liegenden Herausforderungen die Verantwortung haben, eine grundsätzliche Reform zu konzipieren, die sich nicht daran misst, was als politisch machbar eingeschätzt wird, sondern daran, was als politisch notwendig angesehen wird. Wenn man ein System ändern will, dann muss man sich darüber klar werden, worin die Nachteile des jetzigen Systems bestehen, und aus meiner Sicht sind das folgende vier Hauptschwerpunkte.

Erstens: Das bestehende EU-Eigenmittelsystem hat einen sehr starren Rahmen. Die Einnahmen sind begrenzt, teilweise rückläufig, und zusätzliche Ausgaben sind immer nur finanzierbar, indem man andere Ausgaben dafür streicht. Die europäische Integration hat aber mittlerweile einen solchen Standard erreicht, dass man mit einem solchen Rahmen einfach an die Grenzen stösst. Das heisst, Aufgaben wie die Erweiterung der Union, die Durchsetzung von Menschenrechten weltweit, die Schaffung von Rahmenbedingungen zur Beseitigung der gravierenden Arbeitslosigkeit sind mit diesem Rahmen nicht mehr zu bewältigen.

Zweitens: Wenn wir eine Reform in diesem Parlament effektiv diskutieren wollen, dann müssen wir letztendlich als Parlament auch die Chance haben, darüber in allen Details bestimmen zu konnen. In diesem Sinne sind die Rechte des Europäischen Parlaments in Haushaltsfragen vollkommen unzureichend.

Drittens: Die für Haushaltsentscheidungen bestehenden Strukturen machen grundsätzliche Reformen ausserordentlich schwierig. Es ist ganz natürlich, dass die Mitgliedstaaten die festgeschriebenen Obergrenzen nicht ausschöpfen, wenn sie zu Hause unter Druck stehen, ihre Haushalte sanieren und die Stabilitätskriterien einhalten zu müssen.

Viertens: Die Diskussion über den sogenannten gerechten Ausgleich ist einerseits berechtigt, andererseits aber auch absurd. Absurd deshalb, weil die Mitgliedstaaten den Begriff „Gerechtigkeit“ so interpretieren, dass sie im Endeffekt das, was sie in den Haushalt der Europäischen Union einzahlen, letztendlich auch wieder herausbekommen wollen. Dann kann ich mir den Umweg über die Europäische Union tatsächlich sparen. Gerechtigkeit in der Europäischen Union kann nur heissen, dass die ursprünglichen Ziele, nämlich ökonomische Entwicklung, Wohlstand, Ausgleich der Entwicklungsunterschiede, das Kriterium für Gerechtigkeit sind.

Letztlich stellt jeder Haushalt die finanzielle Umsetzung der politischen Strategien dar. Die Europäische Union hat sich für die nächsten Jahre sehr viel vorgenommen. Wenn man parallel dazu versucht, immer nur die Ausgabenseite zu kürzen, dann wird man den politischen Notwendigkeiten einfach nicht gerecht. Wenn man da noch Rabatte, Beitragskorrekturen und anderes einführt, könnte man nur sagen, jedes Unternehmen würde Bankrott gehen, wenn es sich so verhalten würde. Das heisst, dass wir uns nun damit beschäftigen müssen, wie man die Einnahmenseite verbessern kann. Europa braucht ein Finanzinstrumentarium, das abgesehen von den Mitteln aus dem Bruttosozialprodukt unabhängig von den Partikularinteressen der Mitgliedstaaten ist. Das heisst, wir brauchen eigene Steuereinnahmen. In dem ersten Bericht vom März sind da eine ganze Reihe positiver Sachen angeführt worden, eine ökologische Steuer, eine C02-Steuer, eine Steuer zur Abschöpfung kurzfristiger Spekulationsgewinne, Gewinne der EZB. Diesen Weg müssen wir gehen, damit das Europäische Parlament und die Europäische Union auch in Zukunft über ausreichende Eigenmittel verfügen.